Leitsatz (amtlich)
Wird eine Betriebseinrichtung (Bremse, Lenkung) eines Pkw in einer Waschanlage genutzt und kommt es infolge dessen zu einem Unfall in der Waschstraße, ist dieser dem Betrieb des Kfz zuzurechnen.
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 2 O 30/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. September 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade ≪2 O 30/18 ≫ unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 3.209,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2017 sowie 413,64 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger weiteren materiellen Schaden anlässlich des Geschehens vom 31. März 2017 in der Waschanlage E. in S. zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) haben die Beklagten als Gesamtschuldner 64 % und der Kläger 36 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.597,57 EUR festgesetzt.
Gründe
(gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):
I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung des Klägers hat nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil war wie geschehen abzuändern und neu zu fassen. Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG, §§ 249, 286, 288 Abs. 1, 421 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 3.209,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2017 sowie von 413,64 EUR als vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren. Ferner war festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger weiteren materiellen Schaden anlässlich des Geschehens vom 31. März 2017 in der Waschanlage E. in S. zu ersetzen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und war abzuweisen. Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.
Haftungsgrund der Beklagten
Es ist bewiesen, dass sich der streitgegenständliche Vorfall beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat und von der Beklagten zu 1) gemäß § 18 Abs. 1 StVG verschuldet worden ist. Sie hätte die Funktion der Parkbremse vor dem Transport des Fahrzeugs auf dem Förderband der Waschstraße deaktivieren müssen, was unterblieben ist. Ein Fehler im Betrieb der Waschanlage ist als Ursache für den Schadensfall auszuschließen.
a) Voraussetzung einer Haftung gem. § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Bei "Waschanlagenunfällen" bedarf es einer genauen Zuordnung, ob der Schaden dem Betrieb der Anlage oder des Pkw des Unfallgegners zuzurechnen ist (vgl. zur Problematik auch im Hinblick auf die Schadensabrechnung Wessel, DAR 2019, 182).
aa) Eine Haftung aus § 7 StVG scheidet grundsätzlich dann aus, wenn bei dem Pkw des in Anspruch genommenen Unfallgegners die Fortbewegungs- und Transportfunktion keinerlei Rolle gespielt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681, Rn. 5 f.; zur entsprechenden Bewertung im Rahmen des EU-Rechts: EuGH, Urteil vom 28. November 2017 - C-514/16, VersR 2018, 156, insb. Rn. 25 ff., 40 f.). Ein Kraftfahrzeug ist dann nicht im Betrieb im Sinn von § 7 Abs. 1 StVG, wenn es sich mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband einer Waschstraße befindet und vollständig abhängig von den automatisierten Transportvorgängen innerhalb der Waschstraße ist. (OLG Koblenz, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 12 U 57/19, VersR 2019, 1384; Beschluss vom 5. August 2019 - 12 U 57/19, juris-Rn. 5 mwN; so auch schon KG, Urteil vom 28. März 1977 - 12 U 2468/75, VersR 1977, 626). Wird nämlich ein Fahrzeug in einer Waschanlage auf einem Förderband bewegt, hat die Person im Fahrzeuginneren keinen Einfluss auf den Waschvorgang. Das Fahrzeug könnte in gleicher Weise auch mit vorher ausgebauten Motor durch die Anlage gezogen werden. Ein dabei eintretender Schaden wäre nicht mehr "beim Betrieb" im Sinn des § 7 Absatz 1 StVG entstanden (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 14. November 2018 - 21 S 47/18, NJW-RR 2019, 600). In derartigen Fällen käme ein Anspruch aus Werkvertragsrecht gegen den Betreiber der Waschanlage in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956).
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18, NJW 2019, 2227, Rn. 8 mwN) ist das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen (entsprechend die Auslegung der "Verwendung eines Fahrzeugs" im EU-Recht, vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2019 - C-100/18, VersR 2019, 1008). Denn die Haftung nach § ...