Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines nach dem sog. "Berliner Modell" vorgetäuschten Unfalls.

2. Werden gegen ein von der beklagten Haftpflichtversicherung eingeholtes Privatgutachten keine Einwendungen erhoben, bedarf es nicht der Einholung eines gerichtlichen Unfallrekonstruktionsgutachtens.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 03.06.2005; Aktenzeichen 16 O 306/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 3.6.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert:

Auch die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.766,03 EUR.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage.

Dem Kläger stehen auch ggü. der Beklagten zu 1) (im Folgenden: die Beklagte) aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 23.5.2004 auf dem W. damm in H. keine Schadensersatzansprüche zu. Im Gegensatz zur Auffassung des LG spricht die Gesamtheit der Indizien dafür, dass es sich um einen sog. gestellten Unfall handelt und die Haftung der Beklagten daher gem. § 152 VVG ausgeschlossen ist.

Hier spricht alles dafür, dass es sich um einen Unfall nach dem "Berliner Modell" handelt. Darunter wird die verabredete vorsätzliche Beschädigung eines abgestellten Fahrzeugs durch einen gestohlenen Pkw verstanden, der an Ort und Stelle zurückgelassen wird, um dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Methode hat für die unmittelbar am Unfall Beteiligten insb. den Vorteil, dass mangels Feststellbarkeit der Person des Fahrers, der den Unfall verursacht hat, keine Beziehung zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten nachgewiesen werden kann. Dabei sind in der Zeit, als sich dieses Modell in Berlin etablierte, insb. Pkw vom Typ Opel Kadett zum Einsatz gekommen, die über eine besonders robuste Karosserie verfügen.

So liegt der Fall auch hier. Verursacht worden ist der Unfall durch einen kurz zuvor entwendeten und bereits am 9.10.1990 erstmalig zugelassenen Pkw Opel Kadett. Dessen Motor lief noch, als der Kläger - offenbar als Erster nach dem Unfall - gegen 01:40 Uhr zu seinem am rechten Fahrbahnrand abgestellten Pkw VW Passat zurückkehrte. Zwar war - wie sich dem Spurensicherungsbericht der Polizei vom 28.5.2004 entnehmen lässt (Bl. 24 d. Beiakten 7321 UJs 47712/04 StA Hannover) - die Scheibe der Fahrertür nur einen Spalt breit geöffnet. Es waren jedoch sämtliche Türen entriegelt, was den Rückschluss zulässt, dass sich der Dieb des Opel Kadett auf diese Weise einen Fluchtweg für den Fall sichern wollte, dass sich die Fahrertür unfallbedingt nicht mehr würde öffnen lassen. Es ist auch kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb ein Dieb gerade diesen mehr als 13 Jahre alten und fast wertlosen Pkw Opel Kadett gestohlen hat, wenn nicht zu dem alsdann auch verwirklichten Zweck, ihn nach einer Fahrstrecke von nur ca. 18 km in der geschehenen Art und Weise zur Beschädigung des Pkw des Klägers einzusetzen.

Auch der eigentliche Unfallhergang spricht hier für die Annahme eines gestellten Unfalls. Nach den Feststellungen des Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. K.-H. M. lassen sich die starken Beschädigungen an dem rechten Vorderrad des Pkw Opel Kadett und dem linken Hinterrad des Pkw VW Passat nur plausibel erklären, wenn bei der ersten Berührung zwischen beiden Fahrzeugen das rechte Vorderrad des Pkw Opel Kadett deutlich nach rechts ausgelenkt war, was darauf hinweist, dass der Fahrer dieses Fahrzeugs die Kollision mit dem rechts geparkten Pkw VW Passat durch eine Lenkbewegung bewusst herbeiführte. Dafür spricht auch, dass nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen M. die Kontaktspuren an beiden Fahrzeugen einen ungebremsten streifenden Anstoß des Pkw Opel Kadett gegen den geparkten Pkw VW Passat des Klägers zeigen und dass eine massive Bremsung des Pkw Opel Kadett erst im Augenblick der Trennung von dem Pkw VW Passat eingesetzt hat. Daraus folgt, dass der Fahrer des Opel Kadett nach dem Erstkontakt mit dem parkenden Fahrzeug des Klägers weder eine Ausweichbewegung nach links noch eine sofortige Abbremsung vorgenommen hat. Schließlich hat der Sachverständige M. errechnet, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw Opel Kadett unter 30 km/h lag. Trotz der Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Unfallstellenbereich auf 30 km/h lässt sich die Einhaltung einer solch niedrigen Geschwindigkeit auf der breiten und übersichtlichen Straße W. damm mitten in der Nacht in einem H. Industriegebiet auch nur damit plausibel erklären, dass der Fahrer des gestohlenen Opel Kadett dadurch bei der bewussten Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers sein Verletzungsrisiko gering halten wollte.

Zwar beruhen die Feststellungen zum eigentlichen Unfallhergang auf dem Gutachten des Sachverständigen M. vom 5.8.2004, das die Beklagte vorprozessual eingeholt hat. Dieser Umstand än...

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