Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Pflichten von Verkehrsanwalt und Prozessanwalt ggü. dem Mandanten.
2. Zur Darlegungs- und Beweislast beim Rechtsanwaltsregress, zur Frage von Beweiserleichterungen im Falle einer groben Pflichtverletzung des Rechtsanwalts, zur Abgrenzung vom Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens.
3. Zur Pflicht des Gerichts, ungeachtet der Verspätung von Vorbringen eine Beweisaufnahme noch möglich zu machen.
4. Zu den Voraussetzungen der Primär- und der Sekundärverjährung.
Normenkette
ZPO §§ 287, 340; BRAO § 51b
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 24.03.2005; Aktenzeichen 2 O 373/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.3.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagten Rechtsanwälte auf Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung in Anspruch.
Die Beklagten vertraten den Kläger in dem Rechtsstreit 9 O 2734/95 vor dem LG Magdeburg wegen einer Honorarforderung des Klägers aus einem Architektenvertrag. Der Bauherr Dr. H., Beklagter des genannten Rechtsstreits, hatte die ersten drei Abschlagsrechnungen ausgeglichen, verweigerte aber die Zahlung der 4. Abschlagsrechnung über 60.123,40 DM. Der Kläger erhob Klage vor dem LG Magdeburg auf Zahlung von 50.000 DM. Während des Rechtsstreits kündigte er den Architektenvertrag und rechnete seine Leistungen mit Schlussrechnung vom 7.5.1996 ab. Mit Schriftsatz des Beklagten zu 2) vom 19.10.1999 erhöhte der Kläger die Klage auf Zahlung des Schlussrechnungsbetrages von 104.958,20 DM. Bereits vorher hatte der Bauherr Widerklage auf Schadensersatz i.H.v. 395.189,08 DM erhoben. Das LG Magdeburg wies durch Teilurteil die Klage wegen Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers hob das OLG Naumburg (2 U 99/00) das Urteil teilweise auf und verwies die Sache insoweit an das LG zurück, als die Klage i.H.v. 50.000 DM abgewiesen worden war, im Übrigen bestätigte es die Klagabweisung wegen Verjährung. Vor dem LG schlossen die Parteien am 20.3.2001 einen Vergleich, wonach der Beklagte an den Kläger noch 25.000 DM zahlt. Wegen der Widerklage wurde das Verfahren vor dem LG nicht weiter betrieben.
Der Kläger verlangt den wegen Verjährung abgewiesenen Teil der Klage von den Beklagten ersetzt.
Gegen den Kläger erging klagabweisendes Versäumnisurteil, gegen welches er Einspruch einlegte.
Mit Schriftsatz vom 2.3.2005 hat der Kläger die Klagforderung um 544,21 EUR erhöht.
Das LG hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die weiter gehende Klage abgewiesen. Die Frage einer anwaltlichen Pflichtverletzung könne dahingestellt bleiben, denn einen Schaden habe der Kläger nicht dargelegt. Sein Vorbringen dazu in den zur Einspruchsbegründung eingereichten Schriftsätzen sei gem. §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem auf den 4.3.2005 festgesetzten Einspruchstermin sei nicht möglich gewesen. Der mit der Klagerweiterung geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei wegen Verjährung gem. § 51b BRAO abzuweisen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit dem dieser den erstinstanzlich verfolgten Zahlungsanspruch überwiegend weiter verfolgt. § 296 Abs. 2 ZPO komme nicht zur Anwendung, sondern § 340 Abs. 3 ZPO. Frühzeitig habe der Kläger die Beiziehung der Akten des LG Magdeburg beantragt; sämtliche vor dem LG Magdeburg und dem OLG Naumburg getätigten Beweisantritte hätten auch in dem Verfahren vor dem LG Hannover berücksichtigt werden müssen. Bis zum Einspruchstermin vom 4.3.2005 hätten jedenfalls Zeugen geladen werden können. Das LG habe darüber hinaus den Umstand, dass der Kläger mit dem Einspruchsschriftsatz die Klage erweitert habe, nicht ausreichend berücksichtigt; durch die Einreichung der Klagerweiterung sei dem Rechtsstreit insgesamt die Entscheidungsreife genommen worden. § 51b BRAO habe das LG unrichtig angewendet, denn das Mandat bestehe immer noch. Außerdem habe das LG den Sekundäranspruch des Klägers unberücksichtigt gelassen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 28.3.2005 verkündeten Urteils des LG Hannover, Az. 2 O 373/03, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 26.634,90 EUR nebst 11 % Zinsen hierauf auf einen Zeitraum vom 17.5.1996 bis zum 21.12.2000 zu zahlen sowie weitere 13 % Zinsen aus 44.052,84 EUR seit dem 22.12.2000 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Beiakten, das angefochtene Urteil und...