Leitsatz (amtlich)

1. Dem Versicherer ist es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich erstmals im gerichtlichen Verfahren auf die Nichteinhaltung der 15-Monats-Frist des § 7 Abs. 1 AUB 94 bezüglich der ärztlichen Feststellung der Invalidität zu berufen, wenn er vorgerichtlich nach bereits erfolgtem Fristablauf ein ärztliches Gutachten zur Feststellung der unfallbedingten Invalidität eingeholt hat, dieses eine Kausalität des Unfalls für die Invalidität indessen nicht zu begründen vermag und die Einholung dieses Gutachtens für den Versicherten auch nicht mit erheblichen körperlichen oder seelischen Unannehmlichkeiten verbunden ist.

2. Ohne zusätzliche Umstände kann in einem solchen Verhalten des Versicherers auch kein Verzicht auf die Einhaltung der Frist des § 7 Abs. 1 AUB 94 gesehen werden.

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Urteil vom 21.07.2003; Aktenzeichen 2 O 153/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.7.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Bückeburg wird hinsichtlich des Antrages zu 2) als unzulässig verworfen und i.Ü. zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1. Soweit die Klägerin zunächst mit der Berufung auch den erstinstanzlich zu 2) gestellten Antrag auf Zahlung von 715,81 Euro weiterverfolgt, ist die Berufung bereits gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Insoweit fehlt es nämlich an einer ausreichenden Berufungsbegründung. Gemäß § 520 Abs. 3 Ziff. 2–4 ZPO muss die Berufungsbegründung Ausführungen dazu enthalten, woraus sich entweder eine Rechtsverletzung der angefochtenen Entscheidung oder konkrete Anhaltspunkte ergeben sollen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen bzw. welche neuen Angriffs oder Verteidigungsmittel zuzulassen sein sollen. Daran fehlt es vorliegend. Die Klägerin verfolgt zwar ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Der Berufungsantrag kann jedoch eine fehlende Begründung nicht ersetzen (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rz. 33a).

Im Übrigen beschränkt sich die Berufungsbegründung auf Ausführungen zur Fristversäumnis nach § 7 AUB, welche alleine für den Feststellungsantrag zu 1) maßgebend sind, und verweist ansonsten lediglich pauschal auf das erstinstanzliche Vorbringen (Bl. 210–212 d.A.). Ausführungen dazu, aus welchem Grund die vom LG vorgenommene Abweisung des Zahlungsantrages unzutreffend sein sollte, fehlen gänzlich. Die pauschale Bezugnahme auf den Sachvortrag und die Rechtsausführungen erster Instanz stellt – erst Recht in Anbetracht der nur noch eingeschränkten Nachprüfungsmöglichkeiten nach neuem Berufungsrecht – keine ausreichende Berufungsbegründung dar (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rz. 34, 40).

2. Der mit der Berufung ebenfalls weiterverfolgte Antrag zu 1), festzustellen, dass die Beklagte zu Leistungen aus der Unfallversicherung aus dem Ereignis vom 5.4.1998 zugunsten des Versicherten … verpflichtet ist, ist demgegenüber unbegründet. Ein Anspruch auf Leistungen gem. § 1 Abs. 1 S. 2, § 179 Abs. 1 VVG, §§ 1, 7 AUB 94 besteht nicht. Das angefochtene Urteil beruht insoweit weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 analog ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

a) Der Anspruch ist ausgeschlossen, weil die Frist des § 7 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 AUB 94 nicht gewahrt wurde. Hiernach muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Diese 15-Monats-Frist für die ärztliche Feststellung ist hier nicht eingehalten, da eine derartige ärztliche Feststellung nach dem Unfall vom 5.4.1998 nicht bis zum 5.7.1999 erfolgt ist. Der Schadensmeldung vom 10.9.1998 lag keine ärztliche Bescheinigung bei.

Auch aus dem Arztbericht des Dr. … an die Beklagte vom 9.10.1998 ergibt sich lediglich die Diagnose eines Zustandes nach Wurzelkompressionssyndrom S 1 links sowie die Feststellung, dass der Bandscheibenvorfall zu mehr als 50 % als Folge eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses entstanden sei (Bl. 42 d.A.). Zwar sind an eine derartige ärztliche Feststellung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es muss aber jedenfalls ein bestimmter Dauerschaden bezeichnet werden, der durch bestimmte Symptome gekennzeichnet ist (BGH VersR 1974, 234). An dieser Feststellung eines Dauerschadens fehlt es indessen. Die erstmals mit Schreiben des Chirurgen … vom 10.4.2001 aufgrund einer Untersuchung vom 4.4.2001 festgestellte Invalidität lag bereits außerhalb der 15-Monats-Frist.

Diese ärztliche Feststellung der Invalidität stellt eine Anspruchsvoraussetzung dar, durch die im Interesse einer rationellen, arbeits und kostensparenden Abwicklung Spätschäden auch dann vom Versiche...

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