Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vertragsstrafenklausel ist dann sittenwidrig, wenn sie eine unangemessene und völlig übersetzte Bevorzugung der Interessen eines Vertragspartner darstellt.

2. Eine Vertragsstrafenklausel kann auch dann sittenwidrig sein, wenn die Vertragserfüllung nahezu ausgeschlossen ist und das Strafversprechen faktisch zu einer Kaufpreisreduzierung von in Höhe der Vertragsstrafe führt.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 339

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 06.07.2000; Aktenzeichen 19 O 223/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Juli 2000 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann durch eine schriftliche, selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.

Streitwert und Beschwer 150.000 DM

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 25. September 1995 von der … GmbH das Grundstück … in …, in dem sich die … GmbH weiter verpflichtete, auf diesem Grundstück bis zum 30. Juni 1996 2 Wohnhäuser mit 5 bzw. 3 Wohnungen entsprechend der Bau und Leistungsbeschreibung zu errichten. In § 2 des Vertrages heißt es u. a.: „Der Verkäufer sichert eine zügige Abwicklung der Bauarbeiten zu. Die Fertigstellung wird bis zum 30. Juni 1996 garantiert. Das Bauvorhaben ist fertiggestellt, wenn die vertraglich vereinbarten Bauarbeiten erbracht und etwa vorhandene Mängel beseitigt sind.”

Die … GmbH versprach dem Kläger eine Vertragsstrafe. Die Abrede in § 10 des Vertrages dazu lautet: „Hat der Verkäufer das Bauvorhaben nicht bis zum 30. Juni 1996 fertiggestellt, gerät er ohne weitere Mahnung in Verzug. Im Falle des Verzuges schuldet der Verkäufer dem Käufer ungeachtet etwaiger Schadensersatzansprüche eine Vertragsstrafe (§ 339 BGB) in Höhe von 150.000 DM.

Zur Sicherung der Vertragsstrafe kann der Käufer den benannten Betrag von den fälligen Kaufpreisraten in Abzug bringen, bis die Einhaltung des Termins zum 30. Juni 1996 durch Zeitablauf sichergestellt ist”.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 5 ff d. A. verwiesen.

Am 6. Dezember 1995 verbürgte sich die Beklagte bis zu einem Betrag von 150.000 DM für die vertragsgemäße Ausführung und Gewährleistung des Bauvorhabens, das Gegenstand des notariellen Vertrages vom 25. September 1995 war.

Die … GmbH wurde insolvent. Der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wurde am 12. Juni 1996 abgelehnt. Das Bauvorhaben war nicht fertiggestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei auf Grund der übernommenen Bürgschaft zur Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 DM verpflichtet, weil die Gebäude nicht rechtzeitig fertiggestellt worden seien.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 150.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. August 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine Bürgschaftsverpflichtung ergebe sich nicht, weil der Kläger die Vertragsstrafe bereits von den von ihn zu zahlenden Raten nach Baufortschritt in Abzug gebracht habe und weil die Vertragsstrafe unangemessen sei.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme zum Umfang des Bautenstandes stattgegeben.

Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Beklagte im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen, in dem er darauf hinweist, das Vertragsstrafeversprechen sei gemäß § 138 BGB unwirksam und im Übrigen auf Grund eines Vergleichs des tatsächlich geleisteten Bauumfangs mit den von dem Kläger gezahlten Raten bereits erfüllt.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 6. Juli 2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover (19 O 223/98) die Klage abzuweisen,

Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zuzulassen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

I.

Die Inanspruchnahme des Beklagten aus dem Bürgschaftsversprechen vom 6. Dezember 1995 für die Sicherstellung der vertragsgemäßen Ausführung des Bauvorhabens … in … wegen des Verfalles der dem Kläger durch die Hauptschuldnerin mit Vertrag vom 25. September 1995 versprochenen Vertragsstrafe scheitert an der Unwirksamkeit zumindest dieser Vertragsstrafenvereinbarung.

Die Vereinbarung der Strafe in Höhe von 150.000 DM für den Fall der Nichtfertigstellung bis zum 30. Juni 1996 verstößt gegen die guten Sitten und ist daher gemäß § 138 BGB nichtig.

Bei der Beurteilung der Frage der Sittenwidrigkeit ist nicht allein die Höhe des Strafversprechens, welche hier 15 % des für Grun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge