Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 26 O 76/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Februar 2022 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung einer Aufbrauchsfrist wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beklagte produziert das Mittel "P." und vertreibt dieses als "Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement bei Helicobacter pylori-assoziierter Gastritis". Das Produkt enthält inaktivierte Bakterien des Lactobacillus reuteri DSM 17648, Zink und Vitamin B12. Die Beklagte verwendete für die Werbung des Produkts die im Unterlassungsantrag wiedergegebenen Werbeaussagen (Anlage K3).

Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich nach seiner Satzung mit der Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und dabei insbesondere mit der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs befasst, hat vor dem Landgericht geltend gemacht, das Produkt "P." sei als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht verkehrsfähig und dürfe auch nicht mit den streitgegenständlichen Aussagen beworben werden. Es liege eine Irreführung der Verbraucher vor. Zudem handele es sich um unzulässige gesundheitsbezogene bzw. krankheitsbezogene Angaben. Nach den Aussagen der Beklagten sei das Produkt nicht als Lebensmittel, sondern als Funktions- und Präsentationsarzneimittel einzustufen, wofür es aber an einer arzneimittelrechtlichen Zulassung fehlte. Die Vorgaben der VO (EU) 609/2013 erfülle das Produkt der Beklagten nicht, weil richtigerweise ein enger Ernährungsbegriff anzuwenden sei. Ebenso fehle ein Wirksamkeitsnachweis.

Der Kläger hat, soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse, beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. das Mittel "P." als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement bei Helicobacter pylori-assoziierter Gastritis in den Verkehr zu bringen und/oder zu vertreiben,

2. für das Mittel "P." wie folgt zu werben:

2.1 "P. ist eine besondere Kombination aus inaktivierten Bakterien des Lactobacillus reuteri DSM 17648 in hoher Konzentration (1010 Bakterien), Zink und Vitamin B12 und dient dem Diätmanagement bei H. pylori-assoziierter Gastritis",

2.2. "Mit P. können die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der gängigen H. pylori-Therapien (Eradikationstherapien, vollständige Abtötung von H. pylori) verbessert und Symptome der Gastritis gemindert werden",

2.3 "Bakterien des Lactobacillus reuteri DSM17648 in P. heften sich hochspezifisch an H. pylori-Bakterien und nehmen ihnen dadurch die Möglichkeit, sich in der Schleimhaut des Magens anzusiedeln. Der gebildete Komplex kann weiter transportiert und ausgeschieden werden. Eine Besiedelung mit H. pylori wird dadurch vermindert",

2.4. "Da eine H. pylori-assoziierte Gastritis ein erhöhtes Risiko eines Vitamin B12-Mangels mit sich bringt, beinhaltet P. Vitamin B12 zur besseren Versorgung",

2.5. "Das Zink in P. erhöht zudem die Wirksamkeit der Eradikation bzw. vollständigen Abtötung von H. pylori",

2.6. "Klinische Studien ergaben, dass die tägliche Einnahme von 2 × 1010 KBE Lactobacillus reuteri DSM 17648 (entspricht 2 Kapseln P.) über mindestens 14 Tage die Besiedelung mit H. pylori verringert",

dies jeweils sofern es geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 232 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Klage weitgehend, nämlich hinsichtlich des vorstehend genannten Klageantrages stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Produkt "P." dürfe nicht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement bei Helicobacter pylori-assoziierter Gastritis bezeichnet werden. Dies folge aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. c), 2 Abs. 2 lit. g) und 4 Abs. 1 der VO (EU) 609/2013. "P." sei kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil es nicht zum Ausgleich eines medizinisch bedingten Nährstoffdefizites diene. Dies sei aber gem. Art. 2 Abs. 2 lit. g) der VO (EU...

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