Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen des Vergleichs mit einem Gesamtschuldner auf die anderen Gesamtschuldner
Leitsatz (amtlich)
Ein Prozessvergleich, in dem die Forderung gegen einen Gesamtschuldner für erledigt erklärt wird, hat im Zweifel keine Wirkung auf den Anspruch des Gläubigers gegenüber einem anderen Gesamtschuldner; im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (Abgrenzung zu Senat OLGR 2007, 797).
Normenkette
BGB § 423
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen 12 O 230/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Hannover vom 18.4.2007 abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 204.651,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.7.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit Architektenleistungen für einen von ihr als Bauträger errichteten Wohnpark " Am Kirschgarten" aus 57 Mehrfamilien- und 37 Reihenhäusern in Bernau bei Berlin. Sie macht ggü. dem Beklagten Schadensersatz wegen Mangelfolgeschäden geltend in Höhe der von ihr behaupteten Ersatzvornahmekosten zur Mängelbeseitigung.
Mit Vertrag vom 20.6./7.12.1992 wurde der Beklagte von der Klägerin für das genannte Bauvorhaben mit den Leistungsphasen 1 bis 9 gem. § 15 HOAI beauftragt sowie mit Leistungsphasen 1 bis 6 für die Tragwerksplanung gem. § 64 HOAI. Die bauliche Ausführung wurde der Streithelferin zu 2 des Beklagten als Generalunternehmerin übertragen. Der Streithelfer zu 1 des Beklagten ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn Michael Lewandowski, der für den Beklagten als Nachunternehmer im Rahmen der Bauüberwachung tätig war. Der Architektenvertrag wurde durch Schreiben der Klägerin vom 15.11.1999 (Anlage K 2) gekündigt. Die Klägerin betrieb in der Folgezeit vor dem LG Stuttgart zwei selbständige Beweisverfahren ggü. der Streithelferin zu 2 des Beklagten. In dem anschließenden Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 2 des Beklagten verpflichtete sich diese durch Vergleich vom 30.1.2003, zum Ausgleich der mangelhaften Erkerelemente der Reihenhäuser des Bauvorhabens Bernau/Am Kirschgarten einen Betrag i.H.v. insgesamt brutto 375.000 EUR an die Klägerin zu zahlen (vgl. Bl. 197 f. d. Beiakte 26 O 472/02 LG Stuttgart). Außerdem verpflichtete sie sich durch einen weiteren Vergleich vom 2.9.2003 (Bl. 93 f. d. Beiakte 17 O 297/03 LG Stuttgart), an die Klägerin 225.000 EUR brutto zum Ausgleich für an den Balkonen der Mehrfamilienhäuser mangelhaft angebrachte Geländer zu zahlen. In den vorausgehenden selbständigen Beweisverfahren - nicht aber in den Hauptsacheverfahren selbst - hat die Klägerin dem Beklagten den Streit verkündet.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf den Differenzbetrag zwischen dem von ihr behaupteten Gesamtsanierungsaufwand und den von der Streithelferin zu 2 des Beklagten durch den Vergleich erhaltenen Zahlungen in Anspruch. Sie vertritt dazu die Ansicht, die mit der Streithelferin zu 2 des Beklagten geschlossenen Vergleiche vor dem LG Stuttgart entfalteten im Verhältnis zu dem Beklagten keine Wirkungen. Dem Beklagten sei eine mangelhafte Planung der Erkerkonstruktion und der Balkongeländer anzulasten.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar wirke der zwischen einem Gläubiger und einem Gesamtschuldner geschlossene Vergleich gem. § 423 BGB nur dann für die übrigen Schuldner, wenn sich der Erlass gerade auch auf diese erstrecken solle. Das sei aber bei den vor dem LG Stuttgart geschlossenen Vergleichen zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 2 des Beklagten der Fall gewesen. Denn eine solche Gesamtwirkung des Vergleiches müsse schon dann angenommen werden, wenn der durch den Erlass Begünstigte andernfalls besorgen müsste, über einen im Vergleichsweg anerkannten Betrag hinaus im Gesamtschuldnerausgleich schließlich doch weitere Zahlungen leisten zu müssen. Bei einer Gesamtwürdigung der Rechtsbeziehungen der Parteien und der Streithelferin zu 2 des Beklagten lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Beklagte im Innenverhältnis zu seiner Streithelferin zu 2 für den gesamten Schaden allein aufkommen müsste. Wenn es aber für die Frage der Erlasserstreckung der Feststellung bedürfte, dass eine Vertragspartei einen gegen einen Gesamtschuldner bestehenden Anspruch tatsächlich ganz oder auch nur teilweise erlassen hätte, müsste in dem Rechtsstreit des Gläubigers mit den übrigen Gesamtschuldnern im Nachhinein gerade der Rechtsstreit inzident entschieden werden, welcher durch den Vergleich...