Leitsatz (amtlich)
1. Das Urteil des EuGH vom 04. Juli 2019 - C-377/17 - erfasst keine Sachverhalte, auf die die HOAI 1996 anwendbar ist.
2. Im Rahmen der Leistungsphase 8 obliegt es dem Architekten, die an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten zu koordinieren. Dieser Ausschnitt der allgemeinen Koordinierungspflicht des umfassend beauftragten Architekten erfasst alle von der Bauausführung betroffenen Leistungsbereiche, auch diejenigen, für die besondere Fachbauleiter eingesetzt sind. Der Architekt kann auch zur Prüfung verpflichtet sein, ob der Fachplaner seinen Pflichten zur Bauüberwachung tatsächlich nachkommt bzw. nachgekommen ist.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 116 O 21/15) |
Tenor
Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung gegen das am 19.06.2020 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster bewilligt, soweit sie widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung eines weiteren zweckgebundenen und abzurechnenden Schadensersatzes in Höhe von 6.250,00 EUR und Ersatz von Privatgutachterkosten in Höhe von weiteren 2.043,13 EUR begehrt. Im Übrigen wird ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Der Beklagten wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz Herr Rechtsanwalt I aus O beigeordnet.
Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird die ratenweise Zahlung der Verfahrenskosten, zahlbar in maximal 48 Monatsraten angeordnet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten restliches Architektenhonorar. Die Beklagte macht Ansprüche wegen Planungs- und Überwachungsfehlern der Klägerin geltend.
Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks F Weg 0 in O und beabsichtigte, auf diesem Grundstück ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung zu errichten. Der Ehemann der Beklagten, der Zeuge T, und der Architekt F1 übernahmen die Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 1-4. Herr F1 holte als vorlageberechtigter Architekt die Baugenehmigung für das zu errichtende Gebäude ein.
Die Beklagte holte in der Folgezeit von verschiedenen Architekten Angebote über die Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 5-9 ein; die Angebote variierten von 41.198,00 EUR-162.000,00 EUR (Aufstellung Anlage B1).
Mit Schreiben vom 04.09.2008 (Anlage B2) bot die Klägerin ihre Leistung zu einem Pauschalhonorar von 50.000,00 EUR zzgl. 8 % Nebenkosten zuzüglich Mehrwertsteuer von 19 % an. Nach entsprechenden Verhandlungen einigten sich die Klägerin und der Zeuge T auf ein Architektenhonorar i.H.v. 50.000,00 EUR brutto, inkl. 3 % Nebenkosten und auf die Beauftragung der Klägerin nach Maßgabe des Inhalts des schriftlichen Ingenieurvertrags-Architektenvertrag für Gebäude (im Folgenden: Architektenvertrag). Der Vertragsentwurf wurde von einem Rechtsanwalt auf Beklagtenseite gefertigt und vom Zeugen T der Klägerin vorgelegt. Der schriftliche Architektenvertrag mit dem vorgesehenen Datum 09.01.2009 (Anlage K 1, Bl. 10-14 d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1.2
[Abs. 2] "Soweit die Parteien keine abweichende Vereinbarung treffen, gilt für Inhalt und Umfang der werkvertraglichen Leistungspflichten das Leistungsbild des § 15 Abs. 2 HOAI entsprechend. Aus diesem Leistungsbild hat der Architekt diejenigen Leistungen (Grund- und besondere Leistungen) zu erbringen, die die Baumaßnahme (Ziff. 1.1) erfordert.
...
§ 2
...
2.2 Die notwendigen Sonderfachleute werden nach Beratung durch den Architekten vom Bauherrn beauftragt. Er beauftragt zunächst folgende Sonderfachleute für:
Gartenplanung (Außenanlagen)
Tragwerksplanung (Statik)
Technische Ausrüstung (Elektro, Heizung, Wasser, Sanitär)
2.3 Der Bauherr, nicht der Architekt, nimmt die Leistungen der Unternehmer rechtsgeschäftlich ab.
...
§ 3 Grundlagen des Honorars des Architekts
3.1 Die Honorierung erfolgt auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Fassung. Die Parteien dieser Vereinbarung haben das Honorar (HZ III, Mindestsatz) ermittelt und pauschalieren es für alle unter $ 1 genannten Leistungen auf 50.000 Euro einschließlich 19 % MWSt.
3.2 Soweit auf Veranlassung des Auftraggebers mehr Leistungen des Architekten erforderlich werden, sind diese Mehrleistungen zusätzlich zu honorieren (§ 4 a Satz 2 HOAI). Für die Mehrleistungen vereinbaren die Parteien schon jetzt ein Stundensatz von 60,00 EUR netto für den Architekt, 50,00 EUR netto für einen technischen Zeichner und 40,00 EUR netto Hilfspersonen des Architekts.
3.3 Werden nach Vertragsschluss Besondere Leistungen erforderlich und/oder übertragen, so ist vor der Ausführung über deren Honorierung eine schriftliche Vereinbarung zu treffen.
3.4 Die Nebenkosten (§ 7 HOAI) werden mit pauschal 3 % vereinbart und sind im o.g. Pauschalhonorar bereits enthalten."
Zwischen den Parteien steht im Streit, wann die entsprechende Einigung erfolgte und ob ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden ist.
Am 09.01.2009 fand eine Besprechung mit d...