Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbenutzung eines Pkw nach Diebstahl des Zweitschlüssels
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 25.07.2003; Aktenzeichen 4 O 364/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.7.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hannover abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 95.146,61 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2002 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, von Beruf Zahnarzt, nimmt die Beklagte aus einer Kasko-Versicherung wegen eines behaupteten Kfz-Diebstahls in Anspruch.
Mit Vertrag vom 2.3.2001 erwarb der Kläger einen Pkw Daimler-Benz S 600 zum Preis von 233.890,80 DM (Bl. 44 f. d.A. 67 Js 252/02 StA Berlin). Dieser ist bei der Beklagten u.a. gegen Teilkaskoschäden mit einer Selbstbeteiligung von 153,39 Euro versichert. Der Pkw ist mit einer sog. "Keyless-Go-Technik" ausgestattet, die es ermöglicht, ihn mittels einer Code-Karte ohne Verwendung von Schlüsseln zu öffnen und zu starten. Mit einem herkömmlichen Schlüssel kann das Fahrzeug nicht gefahren werden. Es verfügt ferner über vier Wegfahrsperren sowie eine elektrisch verriegelte Lenksäule. Über einen Notschließzylinder kann der Pkw im Falle einer leeren Batterie geöffnet werden, ein Fahren ist jedoch nicht möglich. Ferner verfügt der Pkw über eine Alarmanlage, die beim Abschleppen und Hochheben des Fahrzeugs ausgelöst wird (vgl. Bl. 53 f., 297 f. d.A.).
Der Kläger besaß ursprünglich zwei Keyless-Go-Karten, von denen er eine in einem unverschlossenen Spind in einem Ablagefach oberhalb Augenhöhe in dem Privatraum seiner Zahnarztpraxis M.-Damm in B. aufbewahrte. Am 30.11.2001 gegen 0:30 Uhr drangen unbekannte Täter in die Zahnarztpraxis ein und durchsuchten sie, wobei sie von einem Nachbarn gestört wurden (vgl. Strafanzeige des Polizeipräsidenten in B. vom 30.11.2001, Bl. 100 f. d.A.). Der Kläger suchte nach dem Einbruch in der Praxis zunächst nicht nach der zweiten Keyless-Go-Karte.
Der Kläger stellte am 9. oder 10.12.2001 seinen Pkw auf seinem Grundstück F.-weg 4 in B. vor dem Garagentor ab. Jedenfalls am 10.12.2001 um 7:30 Uhr befand es sich noch dort. Als die Ehefrau des Klägers später das Haus verließ, war der Pkw verschwunden. In der polizeilichen Strafanzeige vom 10.12.2001 ist als Tatzeit "So./Mo. 9./10.12.2001, 19:30-8:00 Uhr" angegeben (Bl. 81 d.A.). In dem Fragebogen der Polizei gab der Kläger am 15.12.2001 an, seit dem Einbruch am 30.11.2001 fehle ein Ersatzschlüssel (Karte), Bl. 13-18 d.A. Die selben Angaben machte er ggü. der Beklagten in der Schadensanzeige vom 15.12.2001 (Bl. 88-90 d.A.) sowie mit Schreiben vom 17.12.2001 (Bl. 21 d.A.).
In einem Vermerk des KOK S. in der Einbruchssache in die Arztpraxis vom 20.12.2001 heißt es u.a. (Bl. 8 d.A. 3 U Pla 7368/02 Amtsanwaltschaft B):
"Am heutigen Tage wurde Unterzeichnender von KOK L. vom LKA ... in Kenntnis gesetzt, dass dort eine Anzeige bearbeitet wird, wo ebenfalls Dr. P. als Geschädigter geführt wird. Durch diesen wurde zur Anzeige gebracht, dass sein Pkw Daimler-Benz, amtl. Kennzeichen ... in der Zeit von 9.2.2001 19:30 Uhr bis 10.12.2001 8:00 Uhr vor seinem Wohnhaus in B., F.-weg 14, gestohlen wurde. Bei Anzeigeerstattung gibt der Geschädigte an, dass er einen Zusammenhang mit dem Einbruch in vorliegender Sache sieht. Er gibt an, dass er in seiner Zahnarztpraxis immer seinen Zweitschlüssel vom Pkw zu liegen hatte. Der fehlt jetzt und nach Meinung des Geschädigten kann dieser nur beim Einbruch in die Zahnarztpraxis entwendet worden sein."
Mit Schreiben vom 22.1.2002 erklärte der Kläger ggü. der Beklagten, der Diebstahl der zweiten Karte sei ihm erst am 13. oder 14.12.2001 aufgefallen, als er die Unterlagen für die Beklagte zusammengestellt habe (Bl. 105 d.A.). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 8.8.2002 eine Leistung wegen einer vom Kläger durch das unterlassene Sperren der gestohlenen Keyless-Go-Karte erfolgten Gefahrerhöhung ab (Bl. 22 d.A.).
In den Jahren 1993-2001 war der Kläger an mehreren Versicherungsfällen im Zusammenhang mit Kfz-Schäden beteiligt:
- am 16.10.2001 Diebstahl eines ihm anlässlich der Reparatur seines jetzt gestohlenen Pkw von der Werkstatt zur Verfügung gestellten Mercedes S 500 L im Wert von 200.000 DM (Bl. 63 f., 110-124 d.A.)
- am 4.8.2001 Beschädigung seines als gestohlen gemeldeten Pkw durch einen Hagelschaden bei Reparaturkosten von 16.720,87 DM (Bl. 64-66, 125-150 d.A.)
- am 13.2.1997 Meldung des Pkw Daimler Benz 300 SL, amtl. Kennzeichen ..., als vor seinem Haus gestohlen, welcher später wiederaufgefunden wurde unter Regulierung eines Sachschadens von 3.609 Euro (Bl. 66 f.,...