Leitsatz (amtlich)
1. Der Zweck der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil hinterlegten Sicherheit erfordert, dass der hinterlegte Betrag dem Vollstreckungsgläubiger nach Rechtskraft uneingeschränkt zur Verfügung steht.
2. Das Risiko, zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Sicherheit die Deckungspflicht aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag ggü. dem Vollstreckungsschuldner falsch einzuschätzen, trägt allein der Haftpflichtversicherer.
Normenkette
ZPO § 720a; VVG a.F. § 150 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 22.05.2009; Aktenzeichen 16 O 155/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.5.2009 verkündete Urteil des LG Hannover - 16 O 155/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:
Die Beklagte wird verurteilt, den beim AG Köln - Hinterlegungsstelle - unter dem Aktenzeichen 81 HL 399/04 hinterlegten Betrag von 1.511.525,99 EUR abzgl. am 25.11.2008 gezahlter 100.923,21 EUR, am 2.7.2009 gezahlter 69.597,58 EUR und am 11.9.2009 gezahlter 73.857,15 EUR zzgl. aufgelaufener Zinsen abzgl. der im Hinterlegungsverfahren entstandenen Kosten zugunsten der Klägerin freizugeben, an die Klägerin Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem freizugebenden Betrag seit dem 31.3.2007, aus 100.923,21 EUR vom 31.3.2007 bis zum 25.11.2008, aus 69.597,58 EUR vom 31.3.2007 bis zum 2.7.2009 und aus 73.857,15 EUR vom 31.3.2007 bis zum 11.9.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um jeweils 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 20 % übersteigt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Freigabe eines zur Abwendung der von der Klägerin betriebenen Sicherungsvollstreckung (§ 720a Abs. 3 ZPO) aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil in dem gegen die Versicherungsnehmerin der Beklagten vor dem LG Köln geführten Haftpflichtprozess von der Rechtsvorgängerin der Beklagten hinterlegten Betrages, nachdem dieser Prozess rechtskräftig zugunsten der Klägerin entschieden worden ist.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die K. B. GmbH & Co. KG (im Folgenden Klägerin), die sich als Anlagenbauerin mit dem Bau von industriellen Wärme- und Wärmekraftanlagen befasst, beauftragte die P. GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin) auf der Grundlage der zwischen den Firmen bestehenden Kooperationsvereinbarung vom 17.9.1996 (Anlage B 5, Bl. 148 GA I) mit der Angebotsbearbeitung und Planung einer Wärmeversorgungsanlage für ein in der Schweiz ansässiges Spanplattenwerk der K. AG. Auf der Grundlage der Planung der Insolvenzschuldnerin schloss die Klägerin mit ihrer Auftraggeberin einen Werkvertrag über die Errichtung einer industriellen Wärmeanlage zu einem Pauschalpreis. In der Folgezeit erwies sich die Tragkonstruktion für den Heißlufterzeuger als fehlerhaft. Außerdem erzielte die Brennkammer die nach der vertraglichen Vereinbarung geschuldeten Werte nicht, was die Klägerin auf Planungsfehler der Insolvenzschuldnerin zurückführte. In dem daraufhin vor dem LG Köln geführten Rechtsstreit (85 O 274/00) wurde die Insolvenzschuldnerin mit vorläufig vollstreckbarem Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 23.3.2004 (Anlage K 1, Bl. 10 ff. GA I), nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens, zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt in folgender Höhe:
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fehlerhaft geplante Tragkonstruktion i.H.v. |
110.923,21 EUR |
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zu gering dimensionierte Brennkammer i.H.v. |
1.178.750,20 EUR |
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1.289.673,41 EUR |
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Zur Abwendung der von der Klägerin betriebenen Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO hinterlegte die Haftpflichtversicherung der Insolvenzschuldnerin, die Y. Versicherungs AG, die inzwischen mit der Beklagten verschmolzen ist, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten (die die Beklagte auch in diesem Verfahren vertreten), beim AG Köln zur Hinterlegungsnummer 81 HL 399/04 1.511.525,99 EUR (Anlage K 2, Bl. 18 f. GA I; Anlage B 4, Bl. 94 f. GA I). Im Laufe des vor dem OLG Köln unter dem Aktenzeichen 20 U 101/04 geführten Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm den Rechtsstreit auf. Das OLG Köln bestätigte das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, dass die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt wurde, nachdem es ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hatte (vgl. Anlage K 4, Bl. 21 ff. GA I). Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde der Insolvenzschuldnerin hat der 10. Senat des BGH mit Beschluss vom 22.4.2008 (X ZR 57/07) zurückgewiesen (Anlage K 5, Bl. 35 GA I). Die Gesamtfor...