Leitsatz (amtlich)
1) Trägt der Mandant dem Rechtsanwalt einen einheitlichen Lebenssachverhalt vor, der unterschiedliche Ansprüche betrifft (hier: Haftpflicht- und Kaskoschaden nach Verkehrsunfall), ist grundsätzlich von einem umfassenden Auftrag auszugehen. Nur ausnahmsweise ist von der Erteilung eines nur eingeschränkten Mandats auszugehen, was der Anwalt darzulegen und zu beweisen hat.
2) Die im Haftpflichtprozess getroffenen Feststellungen haben für das Kaskoversicherungsverhältnis keine Bindungswirkung.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 675; VVG a.F. § 61
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 24.08.2009; Aktenzeichen 20 O 220/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 24.8.2009 verkündete Urteil des LG Hannover - 20 O 220/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:
Der Beklagte wird verurteilt, an die A. D. GmbH,..., auf die Rechnung vom 26.7.2005, Rechnungsnummer ..., 9.837,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2007 zu zahlen, an die Klägerin 775,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 5 % und der Beklagte zu 95 %; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag in Anspruch.
Am 21.6.2005 verursachte die Klägerin mit dem Pkw Passat Variant TDI V 6 (Baujahr 2002), amtliches Kennzeichen ..., einen Verkehrsunfall, in dem sie auf der Straße W. in H. gegen das geparkte Fahrzeug des Unfallgegners E. S. fuhr, wobei beide Fahrzeuge beschädigt wurden. Der Unfall wurde von der Polizei aufgenommen. Die Klägerin hat am 22.7.2005 eine Schadensanzeige der K. Versicherung AG (im Folgenden: K.) ausgefüllt, bei der sie das ihrem Neffen, dem Zeugen S., gehörende Fahrzeug haftpflicht- und - mit einer Selbstbeteiligung von 500 EUR - vollkaskoversichert hatte (Anlage B 1, Bl. 91 ff. d.A.). Gegenüber der Polizei hatte die Klägerin den Unfallhergang dahin gehend geschildert, dass ein Reifen ihres Fahrzeuges geplatzt sei und sie daraufhin die Kontrolle verloren habe. In dem vor dem LG Hannover (12 O 3114/05 = Beiaktenverfahren oder BA) geführten Haftpflichtprozess, in dem der Klägerin (dortigen Beklagten zu 2) die Klage des Unfallgegners am 31.8.2005 zugestellt worden ist, hat sie den Unfallhergang in ihrer persönlichen Anhörung dahin gehend geschildert, dass sich wohl eine Radkappe gelöst habe, was sie die Kontrolle über das Fahrzeug habe verlieren lassen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.3.2006 im Beiaktenverfahren, Anlage B 3, Bl. 139 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 19.8.2005 (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.) lehnte die K. ihre Eintrittspflicht nach § 61 VVG a.F. ab, weil keine Plausibilität zwischen Schadensschilderung und Schadensbild bestehe. Sie erteilte folgenden Hinweis:
"Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass der vermeintliche Anspruch auf Versicherungsschutz nach § 12 Abs. 3 VVG allein aus Fristablaufgründen verloren geht, wenn dieser nicht innerhalb von sechs Monaten nach Zugang dieses Schreibens gerichtlich geltend gemacht wird."
Die Klägerin erteilte dem Beklagten am 29.8.2005 das Mandat, sie in der Verkehrsunfallangelegenheit zu vertreten, wobei Inhalt und Umfang des Auftrages streitig ist. Der Beklagte hat die Klägerin sodann in dem vor der 12. Zivilkammer des LG Hannover geführten Prozess vertreten. In diesem Verfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob es sich um einen fingierten Unfall handelte. Zur Plausibilität des festgestellten Unfallgeschehens sowie der an den Unfallfahrzeugen vorhandenen Schäden hat das Gericht im Beiaktenverfahren ein Gutachten eingeholt (vgl. Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. M. vom 18.8.2006), das zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwar ein Reifenplatzer des rechten vorderen Reifens Ursache für den Unfall nicht gewesen sein könne. Indes seien die Unfallschäden der beiden Fahrzeuge miteinander kompatibel, so dass sich im Übrigen der Unfallverlauf plausibel erklären lasse. Das LG hat im Beiaktenverfahren daraufhin der Klage des Unfallgegners - weitgehend - stattgegeben und in der Begründung ausgeführt, dass sich ein gestellter Unfall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen lasse. Zwar seien einige Anhaltspunkte dafür benannt, die typischerweise auch bei gestellten Verkehrsunfällen vorlägen, eine Gesamtschau aller für und gegen einen solchen gestellten Unfall sprechenden Indizien führe jedoch dazu, dass dem Gericht erhebliche Zweifel an einer Verabredung der Parteien verbleiben würden, weshalb deren Zusammentreffen gleichermaßen als Zufall angesehen werden könne. Die Kammer hat dies sodann im Einzelnen ausgeführt.
Die unter Vorlage der Rechnung vom 27.7.2005 (Anlage K 12, Bl. 109 ff. d.A.) mit 10.337,14 EUR...