Leitsatz (amtlich)
Autorisierung von Überweisungen; Missbrauch der Vertretungsmacht; Bankrecht; Unwirksamkeit der Autorisierung von Überweisungen wegen des Missbrauchs der Vertretungsmacht (hier verneint); Zur (hier fehlenden) Unwirksamkeit der Autorisierung von Überweisungen wegen des Missbrauchs der Vertretungsmacht
Normenkette
BGB §§ 675j, 675u
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 09.11.2021; Aktenzeichen 6 O 213/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. November 2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf valutamäßige Rückbuchung von angeblich nicht autorisierten Zahlungsvorgängen sowie - in der Berufungsinstanz nicht mehr von Interesse - auf Rückzahlung von Bankgebühren in Anspruch.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine örtliche gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die maßgeblich im Großraum A. tätig ist. Gemäß § 2 ihres Gesellschaftsvertrages verfolgt und fördert die Klägerin die Hilfe bei Not- und Unglücksfällen, die Wohlfahrtspflege, das Gesundheitswesen und die Jugend- und Familienhilfe sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung in diesen Bereichen. Die Zwecke der Gesellschaft werden "insbesondere" durch die in § 2 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages bezeichneten Aktivitäten verwirklicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Gesellschaftsvertrag Anlage K 1 (Bl. 30 ff. Bd. I d.A.) Bezug genommen.
Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist der H. e.V., einer der 16 Landesverbände des I. e.V. Einziger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war im Zeitraum vom 31. August 2010 bis zum 14. März 2019 (Handelsregisterauszug vom 16. Oktober 2019, Anlage B 4, gesondert geheftet) Herr M. (nachfolgend: Geschäftsführer), der über die d. und die l. Staatsangehörigkeit verfügte.
Der Geschäftsführer eröffnete am 8. September 2016 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Y. Bank (nachfolgend einheitlich als Beklagte bezeichnet), ein Kontokorrentkonto zur Kontonummer ... (IBAN: DE...) sowie ein - nicht streitgegenständliches - Tagesgeldkonto. Die Parteien vereinbarten zugleich die Nutzung des Online-Bankings (Anlage B 8, gesondert geheftet). Im Zuge der Einrichtung der Konten legte der Geschäftsführer den Gesellschaftsvertrag der Klägerin vor, den die Beklagte zu ihren Akten nahm.
Am 25. August 2017 vereinbarten die Parteien eine Erhöhung des Überweisungslimits sowie des Auslandsauftragslimits über das Online-Banking von ursprünglich 5.000,00 EUR auf 500.000,00 EUR (Anlage B 9, gesondert geheftet).
Das Konto wurde in der Folge für den Zahlungsverkehr genutzt. Unter anderem gingen dort bis zum Monat Juni 2018 insgesamt zwölf Überweisungen des Landes B. in Höhe von insgesamt 8.126.942,87 EUR ein (Aufstellung auf Seite 10 des Schriftsatzes der Beklagten vom 27. November 2019, Bl. 86 Bd. I d.A.). Bis November 2018 erfolgten Auszahlungen in Höhe von insgesamt 1.595.215,50 EUR auf andere Konten des Arbeiter-Samariter-Bundes (Aufstellung auf Seite 11 des Schriftsatzes der Beklagten vom 27. November 2019, Bl. 87 Bd. I d.A.). In der Zeit zwischen der Eröffnung des Kontos und August 2018 wurden keine Zahlungen ins Ausland veranlasst. Ebenso wenig gingen in diesem Zeitraum Zahlungen aus dem Ausland auf dem Konto ein.
Am 9. August 2018 wandte sich der Geschäftsführer nach telefonischer Vorankündigung bei seinem Kundenbetreuer bei der Beklagten, Herrn G. S., in einer Filiale der Beklagten mit einem Auslandsüberweisungsanliegen an die dortige Mitarbeiterin, Frau S., der der Geschäftsführer in Person bekannt war. Diese füllte für den Geschäftsführer den bankmäßigen Vordruck "Zahlungsauftrag im Außenwirtschaftsverkehr" aus. Demnach sollte ein Betrag in Höhe von 3.000.000,00 EUR an einen Herrn I. S. auf ein Konto bei der W. Bank in den C. unter dem Verwendungszweck "Einlage" überwiesen werden. Der Zahlungsauftrag (Anlage K 2, Bl. 43 Bd. I d. A.) wurde sowohl von dem Geschäftsführer als auch von den Mitarbeiterinnen der Beklagten F. und S. unterzeichnet.
Die Beklagte beauftragte sodann die V. Bank AG (nachfolgend: V.-Bank), deren Inhaberin u.a. die Beklagte ist und an die sie den Geschäftsbereich der Auslandsüberweisungen ausgelagert hat, mit der Weiterleitung des angewiesenen Betrags. Die V.-Bank nahm den Auftrag an und leitete den Betrag weiter.
Kurz darauf erhielt die V.-Bank den angewiesenen Betrag von der c. Bank zurück, die den Betrag schließlich unter dem Hinweis auf eine "Internal Policy of 57" an die Beklagte weiterleitete. Die Beklagte vermerkte auf der Rückgabenachricht de...