Leitsatz (amtlich)
1. Die Nebenkostenpauschale kann pro Unfallereignis nur einmal verlangt werden.
2. Zu den Voraussetzungen der Schadensminderungspflicht des Geschädigten bei der Inanspruchnahme eines Mietfahrzeuges (Verpflichtung zur Anschaffung eines Interimsfahrzeuges bei bevorstehender Lieferung eines vor dem Unfall bestellten Ersatzfahrzeuges).
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 30.03.2007; Aktenzeichen 5 O 524/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.3.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Verden teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.358,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 2.3.2006 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden der Klägerin zu 16 % und dem Beklagten zu 84 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die auf Zahlung weiterer Mietfahrzeugkosten sowie eine zweite Nebenkostenpauschale gerichtete Berufung der Klägerin hat (lediglich) hinsichtlich eines Teils der Mietfahrzeugkosten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die gegen die Zuerkennung eines Rückstufungsschadens in der Vollkaskoversicherung gerichtete Anschlussberufung des Beklagten ist insgesamt unbegründet.
1. Berufung der Klägerin
a) Mietfahrzeugkosten
Der Klägerin steht aufgrund der Beschädigung ihres Lkw nebst Anhänger bei dem Unfall am 19.10.2005 auf der Bundesautobahn 1 mit einem estländischen Lkw-Gespann ein Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten i.H.v. 2.358,46 EUR nebst anteiliger Zinsen zu.
Die Entscheidung des LG, Mietfahrzeugkosten seien im vorliegenden Fall lediglich für die im Schadensgutachten des Sachverständigen Radtke angesetzte Wiederbeschaffungsdauer von 12 Kalendertagen ersatzfähig, ist rechtsfehlerhaft.
Der Umfang der Schadensersatzpflicht richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Gemäß § 249 Satz 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestanden haben würde, wenn der Unfall nicht geschehen wäre. Hierzu gehören grundsätzlich auch Mietwagenkosten. Hierbei sind die Kosten zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte (vgl. BGH NJW 1982, 1518 - juris-Rz. 9 m.w.N.).
Allerdings dürfen dem Schädiger keine unverhältnismäßigen Aufwendungen auferlegt werden. Das ergibt sich aus der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB). Der Unfallgeschädigte hat dabei aber lediglich die Pflicht, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach allgemeiner Auffassung nach Treu und Glauben von einem ordentlichen Menschen getroffen werden müssen, um den Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern, wobei für einen schuldhaften Verstoß gegen diese Obliegenheiten der Schädiger beweispflichtig ist (vgl. OLG München, VersR 1976, 1145 - juris-Rz. 32 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass die Klägerin verpflichtet war, sich einen gebrauchten Lkw als Interimsfahrzeug anzuschaffen.
Der Eigentümer eines total beschädigten Fahrzeugs kann zwar im Normalfall grundsätzlich Mietwagenkosten nur für den Zeitraum vom Schädiger beanspruchen, in dem ihm die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt bei unverzüglichen Bemühungen möglich gewesen wäre. Diese normale Wiederbeschaffungsfrist setzt sich zusammen aus dem Zeitraum bis zur Klärung, ob ein Totalschaden vorliegt, einer - kurzen - Überlegungsfrist sowie der angemessenen Zeit zur Beschaffung eines entsprechenden Fahrzeuges (vgl. OLG München, a.a.O., juris-Rz. 39 m.w.N.).
Der Pflicht, unverzüglich zu ermitteln, ob ein Totalschaden vorlag, ist die Klägerin durch Einschaltung eines Sachverständigen sofort nach dem Unfall nachgekommen. Aus dem vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Radtke ergibt sich, dass er die Zugmaschine bereits am 20.10.2005, also einen Tag nach dem Unfall, besichtigt hat. Das Gutachten selbst ist sodann am 26.10.2005 erstellt worden. Es weist Reparaturkosten von 75.000 EUR netto, einen Wiederbeschaffungswert von 23.200 EUR netto und einen Restwert von 862,06 EUR netto sowie eine Wiederbeschaffungsdauer von 12 Kalendertagen aus.
Selbst wenn man annimmt, die Klägerin habe wegen eines schon aufgrund der äußerlichen Beschädigungen des Lkw ohne weiteres erkennbaren Totalschadens nicht eine Woche auf das Gutachten warten dürfen, sondern bereits vorab telefonisch beim Gutachter den Wiederbeschaffungswert erfragen müssen (vgl. dazu z.B. AG Emmendingen, VRS 107, 162), bestand eine dahingehende Erkundigungspflicht der Klägerin jedenfalls nicht vor Montag, dem 24.10.2005. Anschließend ist ihr dann noch eine Überlegungsfrist von weiteren ...