Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich kann der Eigentümer eines total beschädigten Gebrauchtfahrzeuges die Mietwagenkosten nur für den Zeitraum vom Schädiger beanspruchen, in dem ihm die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmarkt bei unverzüglichen Bemühungen möglich gewesen wäre; etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Geschädigte vor dem Unfall bereits ein anderes Fahrzeug, auch einen Neuwagen, bestellt hatte und davon ausgehen durfte, die Lieferung dieses Wagens werde alsbald erfolgen.
2. Hatte der Geschädigte bereits zu Jahresbeginn ein neues Fahrzeug bestellt, dessen Auslieferung ihm für September angekündigt wurde, und erleidet er mit seinem alten Fahrzeug im September einen Unfall (mit Totalschaden), hat der Schädiger darzulegen, dass dem Geschädigten bekannt gewesen ist, dass sich die Auslieferung des von ihm bestellten Fahrzeuges so lange verzögern wird, dass unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung doch noch der "Zwischenerwerb" eines Gebrauchtwagens angebracht gewesen ist.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 124/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.07.2022, Az: 10 O 124/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.154,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 47,60 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger zu 4/5, der Beklagte zu 1/5. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger zu 1/3, der Beklagte zu 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Positionen Heckfahrradträger, Mietwagenkosten und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gilt Folgendes:
Heckfahrradträger
Gemäß den in der Folgezeit nicht mehr angegriffenen Ausführungen des Senats in der Verfügung vom 16.12.2022 hat der Beklagte bezüglich des beschädigten Heckfahrradträgers bereits eine vorgerichtliche Zahlung von 231,56 EUR erbracht. Dieser Betrag war von dem in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts angesetzten "Zeitwert" in Höhe von 330,66 EUR in Abzug zu bringen. Es verblieb somit eine berechtigte Schadensersatzposition in Höhe von 99,10 EUR.
Mietwagenkosten
Der Beklagte vertritt mit seiner Berufung die Auffassung, das Landgericht hätte allenfalls 30 Tage (statt 74 Tage) in Ansatz bringen dürfen. Da das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits ca. 4 1/2 Jahre alt gewesen sei und eine Laufleistung von knapp über 110.000 km aufgewiesen habe, habe dem Kläger gemäß § 249 BGB lediglich ein Anspruch auf ein Gebrauchtfahrzeug im Sinne eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges zugestanden. Der Gutachter habe für die Beschaffung eines solchen gleichwertigen Gebrauchtfahrzeuges einen Zeitraum von 14 Tagen in Ansatz gebracht, womit sich die dem Beklagten zugestandene Mietdauer von 30 Tagen sogar als extrem großzügig darstelle. Dieser Argumentation folgt der Senat nicht.
Der Umfang der Schadenersatzpflicht richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestanden haben würde, wenn der Unfall nicht geschehen wäre. Hierzu gehören grundsätzlich auch Mietwagenkosten. Es sind die Kosten zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeuges für erforderlich halten durfte (BGH VI ZR 35/80, Urteil vom 02.03.1982, beck-online). Allerdings dürfen dem Schädiger keine unverhältnismäßigen Aufwendungen auferlegt werden. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB). Der Unfallgeschädigte hat nach diesem Grundsatz die Pflicht, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach allgemeiner Auffassung nach Treu und Glauben von einem ordentlichen Menschen getroffen werden müssen, um den Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern, wobei für einen schuldhaften Verstoß gegen diese Pflicht bzw. diese Obliegenheit der Schädiger beweispflichtig ist (OLG München 24 U 831/75, Urteil vom 27.11.1975, beck-online; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 254 Rn. 72). Grundsätzlich kann der Eigentümer eines total beschädigten Gebrauchtfahrzeuges daher im Normalfall die Mietwagenkosten nur für den Zeitraum vom Schädiger beanspruchen, in dem ihm die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmar...