Leitsatz (amtlich)
1. Einem Durchschnittskunden ist in der Regel nicht klar, dass bei einer Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung ein Versicherungsschutz dann nicht besteht, wenn ein Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wird.
2. Ein Vermieter hat deshalb in jedem Fall ausdrücklich auf die Haftung bei grober Schuld hinzuweisen.
Normenkette
VVG § 161; AGBG § 9
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 23.12.1998; Aktenzeichen 13 O 393/97) |
Tenor
Auf die.Berufung des Beklagten wird das am 23. Dezember 1998 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 28. Oktober 1997 – B 130155/97 – wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die.Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Klägerin: 38.595,40 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der.Sache Erfolg.
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche wegen der Beschädigung ihres Pkw auf Grund des Unfallgeschehens vom 9. März 1997 zu.
Dabei kann dahinstehen, ob die Verursachung.des Unfalls durch Abkommen von der Autobahn mit dem bei der Klägerin angemieteten Pkw Mercedes Benz auf grober Fahrlässigkeit des Beklagten beruhte, weil auch in diesem Falle die Klägerin den ihr entstandenen Schaden selbst zu tragen hätte und nicht von dem Beklagten etwa wegen positiver Verletzung des Mietvertrages oder einer unerlaubten Handlung Ersatz verlangen könnte.
Zwar weisen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin unter J. 3. aus, dass der Mieter die Haftung aus Unfällen für Schäden der Klägerin durch Zahlung eines besonderen Entgelts ausschließen kann und in diesem Falle eine Haftung für Schäden am Fahrzeug u. a. nur eintreten soll, wenn der Mieter den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Bedenken an der Wirksamkeit dieser Klausel – insbesondere unter dem Gesichtspunkt von 5 2 AGBGesetz – bestehen hier nicht, weil die zu Grunde gelegte Haftungsfreistellung des Mieters dem Leitbild der Kaskoversicherung entspricht (vgl. BGHZ 70, 304, 309; OLG Düsseldorf BB 1997, 702).
Die Klägerin hat indessen, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, nicht belegt, dass sie mit dem Beklagten eine Haftungsfreistellung bei Unfallschäden gerade unter Zugrundelegung dieser Allgemeinen Vermietbedingungen vereinbart hat. Unstreitig ist zwischen den Parteien insoweit lediglich, dass sie mündlich eine Haftungsfreistellung gegen Zahlung eines weiteren Entgelts durch den Beklagten vereinbart hatten. Im Rahmen dieser Vereinbarung anlässlich der Anmietung des Pkws ist durch die Mitarbeiter der Klägerin jedoch nicht darauf hingewiesen worden, dass die vereinbarte Haftungsfreistellung entsprechend §§ 12 AKB, 61 VVG bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Unfallverursachung entfallen sollte. Einer solchen Aufklärung hätte es aber bereits deshalb bedurft, weil bei Vereinbarung einer derartigen Haftungsfreistellung nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, dass diese nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung abgeschlossen werden soll. Einem Durchschnittskunden war nicht ohne weiteres klar, dass bei einer Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung ein Versicherungsschutz dann nicht besteht, wenn ein Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wird, weil in der Bevölkerung die Regelung des § 161 VVG weitgehend unbekannt ist (vgl. Ulmer/Brandtner/Hensen, AGBG, 8. Auflage, Anh. §§ 911 Rdnr. 513), sodass in jedem Fall seitens der Klägerin ausdrücklich auf die Haftung bei grober Schuld hätte hingewiesen werden müssen. Dies galt hier umso mehr, weil der Beklagte damals erst 19 Jahre alt war, wie die Mitarbeiter der Klägerin wussten. Für den Beklagten musste sich aus der mündlich vereinbarten „schlichten” Haftungsfreistellung nicht ohne weiteres ergeben, dass die Klägerin ihn nur bei nicht grob fahrlässiger Unfallverursachung freistellen wollte. Bei der Auslegung ihrer Haftungsfreistellungserklärung, für die die Klägerin ein besonderes Entgelt forderte, gem. §§ 133, 157 BGB, musste und konnte sich dem Beklagten eine Haftungsbeschränkung nicht erschließen. Bei der Auslegung der entsprechenden Willenserklärung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren; auf seinen „Horizont” und seine Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte (Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Auflage, § 133 Rdnr. 9 m. w. N.). Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war für den Beklagten – auch wegen seines jugendlichen Alters und seiner Unerfahrenheit in vertraglichen Angelegenheiten – nicht erkennbar, dass die Klägerin dem Beklagten entgegen dem Wortlaut ihrer „Haftungsfreistellung” nur – wie sonst möglicherweise üblich – eingeschränkt freistellen wollte. Dies hätte sie vielmehr verlautbaren sollen, was leicht durch Aush...