Leitsatz (amtlich)

1. Der Notar verstößt gegen seine ihm im Rahmen der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages obliegende Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung, wenn er mit den Beteiligten nicht die Notwendigkeit der ihm, nach Einsicht in das Grundbuch, bekannten Wege- und Leitungsrechte für das nicht an öffentliche Straßen angebundene, den Verkaufsgegenstand bildende Teilstück erörtert.

2. Der Schaden des Erwerbers liegt im Minderwert seines Grundstücks, der zu ermitteln ist anhand des geminderten Wertes des Vorderliegergrundstücks infolge der Belastung mit einem Notwegerecht, die mit den Kosten einer angemessenen Notwegerente gleichzusetzen ist.

 

Normenkette

BNotO § 19 Abs. 1; BeurkG § 17 Abs. 1; BGB §§ 1018-1019

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 13.02.2009; Aktenzeichen 7 O 378/08)

 

Tenor

Auf die beiderseitigen Berufungen wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Verden vom 13.2.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.323,27 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jedweden weiteren Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der dinglich nicht gesicherten Zuwegung und Erschließung des Grundstücks S.,... W., entsteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 75 % und der Kläger zu 25 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Ersatz seines dadurch entstandenen Schadens in Anspruch, dass dieser ihn als Notar bei der Beurkundung des Grundstückskaufvertrages vom 29.7.1995 (UR-Nr. 501/95, Bl. 9 ff. d.A.) nicht über die Notwendigkeit der dinglichen Sicherung seines schuldrechtlichen Wege- und Leitungsrechtes durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit auf dem zur Straße liegenden Grundstück der Verkäufer hingewiesen hat und auch einen Hinweis der Rechtspflegerin des Grundbuchamtes S. vom 10.12.1995 (Bl. 77 d.A.), dass bestehende Wege- und Leitungsrechte aufgrund beabsichtigter Verschmelzung und Neuaufteilung der Flurstücke den Gegebenheiten eventuell anzupassen seien, nicht zum Anlass genommen hat, die insoweit bestehenden Bedürfnisse der Kaufvertragsparteien zu klären und auf eine sachgerechte Regelung hinzuwirken.

Mit dem vom Beklagten beurkundeten Kaufvertrag erwarb der Kläger zum Kaufpreis von 263.000 DM eine noch zu vermessende Teilfläche aus den Flurstücken ... und ... der Flur ... Gemarkung K. zu einer Größe von ca. 300 m2. Das Grundstück war bereits mit einer Doppelhaushälfte bebaut und wurde im späteren Verlauf als Flurstück ... (S. Straße ...) im Grundbuch eingetragen. Die Grundstückssituation ist in der Weise gestaltet, dass sich das Grundstück des Klägers nur über das Flurstück ... (S. Straße ...), das mit der anderen Hälfte des Doppelhauses bebaut ist, erreichen lässt (vgl. Flurkarten Bl. 24, 22 d.A.). Der Anschluss des Grundstücks S. Straße ... an Versorgungsleitungen erfolgte bereits damals über das Vorderhaus, in dem sich auch die Zähleranlagen der Gas- und Wasserversorgung des Hinterhauses befanden. Die Kaufvertragsparteien waren sich über eine unentgeltliche Nutzung des an der Nordwestseite des Grundstücks gelegenen Weges für die Zu- und Abfahrt zum Grundstück des Klägers ebenso wie über die Nutzung der vorhandenen Versorgungsleitungen durch den Kläger einig. Von den, im Grundbuch des an der Straße liegenden Flurstücks ... u.a. zugunsten des vom Kläger erworbenen Teilstücks eingetragenen Grunddienstbarkeiten (Wegerecht an der Südostgrenze des Grundstücks/Recht zur Verlegung und Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen) hat der Beklagte durch Einsichtnahme Kenntnis genommen und diese in der Vertragsurkunde in § 1 niedergelegt. Die Möglichkeit, ein Wege- und Leitungsrecht durch Eintragung von Grunddienstbarkeiten im Grundbuch des Flurstücks ... zugunsten des neu zu bildenden Grundstücks einzutragen, hat der Beklagte mit den Kaufvertragsparteien weder im Rahmen der Beurkundung erörtert, noch eine solche dingliche Sicherung thematisiert, nachdem das AG Syke mit Schreiben vom 10.12.1995 (Anlage K 7, Bl. 77 f. d.A.) u.a. im Hinblick auf das Leitungsrecht um Überprüfung gebeten hat, inwieweit nach Teilung des Grundstücks Teilstücke auf die Versorgungsleitungen angewiesen sind.

Im Jahr 2000 erwarb das Eigentum am vorderen Grundstück (S. Straße ...)

Frau D. U., die dem Kläger ein Recht zum notwegerentenfreien Begehen/Befahren ihres Grundstücks auf dem an der Nordwestseite - unter Beteiligung des Klägers - geschaffenen Zufahrtsweg auf sein Grundstück, auf dem er zwischenzeitlich auch einen Carport errichtet hatte, nicht zugestand. Bemühungen, sich auf die Eintragung einer Grunddienstbarkeit für ein Wegerecht des Klägers gegen Zahlung eines Entgelts zu einigen, sind bisher gescheitert (vgl. Schriftwechsel Bl. 31 - 38 d.A.). Der Kläger hat im Zeitra...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge