Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 2 O 232/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. März 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 13.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Die Klägerin betreibt in H., ..., die Gaststätte "XY". Sie unterhält bei der Beklagten für diesen Gaststättenbetrieb eine Verbundene Gewerbeversicherung, die auch das Risiko einer Betriebsschließung umfasst. Die Tagesentschädigung beträgt insoweit 1/360 der Versicherungssumme von 105.000 EUR bei einer Haftzeit von 30 Tagen (Versicherungsschein vom 1. Dezember 2015: Anlage K1, Bl. 7 f. d. A.).
Vereinbart sind die Besonderen Bedingungen für die einfache Betriebsschließungsversicherung (BB KBS 2014) (Anlage K2, Bl. 12 f. d. A.). § 2 BB KBS 2014 lautet:
"1. Gegenstand der Deckung
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; (...)
2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten (...)
b) Krankheitserreger (...)"
Die unter 2. a) und b) aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger enthalten weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2.
Anlässlich des Ausbruchs der Corona-Pandemie wurde durch die Region H. eine Allgemeinverfügung auf der Grundlage des § 28 IfSG erlassen.
Mit an die Versicherungsmaklerin der Klägerin gerichteter E-Mail vom 20. März 2020 (Anlage K3, Bl. 14 d. A.) lehnte die Beklagte eine Entschädigung der Klägerin aus der Betriebsschließungsversicherung ab.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe ihren Gaststättenbetrieb im Zeitraum vom 21. März 2020 bis einschließlich 10. Mai 2020 schließen müssen. Da der Betrieb ansonsten an sechs Tagen pro Woche geöffnet habe, betrage die Schließungszeit aufgrund behördlicher Anordnung insgesamt 43 Tage.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Betriebsschließung sei vom Versicherungsschutz umfasst. Die Versicherungsbedingungen seien dahin auszulegen, dass sich der Versicherungsschutz auf jede Betriebsschließung aufgrund einer Krankheit beziehe, die nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtig sei. § 2 Nr. 2 BB KBS 2014 sei demgegenüber intransparent und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Versicherungsnehmer werde von umfassendem, sich mit dem Infektionsschutzgesetz deckenden Versicherungsschutz ausgehen.
Die geltend gemachte Entschädigung hat die Klägerin anhand eines Vergleichsvorschlags der Beklagten mit Schreiben vom 4. Mai 2020 über 15 % der Versicherungsleistung, entsprechend 1.700 EUR, mit 11.333,33 EUR (= 100 %) errechnet.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 11.333 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. März 2020 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber der Kanzlei K., ..., in Höhe von 805,20 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die der Schließung zu Grunde liegende Rechtsverordnung sei wegen Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt unwirksam. Überdies seien nur betriebsbezogene Ereignisse versichert, nicht aber Betriebsschließungen aus generalpräventiven Gesichtspunkten. Da ein Außer-Haus-Verkauf noch gestattet gewesen sei, liege auch keine Betriebsschließung vor.
Nach Auffassung der Beklagten unterfällt die hier vorliegende Krankheit/Krankheitserreger nicht dem Versicherungsschutz.
Die Beklagte hat ferner die von der Klägerin geltend gemachte Schadenshöhe bestritten. Betriebswirtschaftliche Auswertungen habe die Klägerin nicht vorgelegt und auch nicht zu ihren ersparten Aufwendungen vorgetragen. Im Übrigen hätte sie auch ohne eine behördliche Anordnung ihren Betrieb schließen müssen, weil die Nachfrage in der Gastronomie aufgrund der Pandemie ohnehin gesch...