Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 2 O 188/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Februar 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 118.560,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.
Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Januar 20xx eine Betriebsschließungsversicherung. Danach sind Betriebsschließungen in Höhe von kalendertäglich 2.964,00 EUR bei einer Haftzeit von maximal 40 Tagen versichert. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz - BSV 2008 (im Folgenden: AVB) zugrunde.
Gemäß Abschnitt A § 1 Nr. 1 Buchst. a) AVB leistet der Versicherer unter anderem Entschädigung,
"wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt (...)"
In Abschnitt A § 1 Nr. 2 AVB heißt es sodann:
"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten ...
b) Krankheitserreger ...".
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der AVB und des Versicherungsscheins vom 15. Juni 2018 wird auf die Anlage K 1 und Anlage K 2 Bezug genommen.
Der Kläger betreibt ein Restaurant in H.
Mit Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 ordnete die Region Hannover angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet der Region Hannover gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), § 3 Abs. 3 NKomVG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGöGD unter anderem die Schließung von Restaurants, Speisegaststätten, etc. für den Publikumsverkehr an.
Gemäß § 5 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27. März 2020 (Nds. GVBl., S. 48) wurde mit Wirkung ab dem 28. März 2020 der Betrieb von Restaurationsbetrieben, insbesondere Restaurants, Gaststätten, Imbisse etc. untersagt.
Aufgrund dessen schloss der Kläger in der Zeit vom 23. März 2020 bis zum 10. Mai 2020 sein Restaurant.
Der Kläger hat gemeint, dass die Aufzählung der versicherten Krankheiten in den Versicherungsbedingungen nicht abschließend sei. Vielmehr seien die Versicherungsbedingungen so auszulegen, dass sich in Abschnitt A § 1 Nr. 2 AVB eine dynamische Verweisung auf die jeweils im IfSG aufgeführten Krankheiten befinde. Zwar werde das Coronavirus SARS-CoV-2 im Infektionsschutzgesetz explizit erst ab dem 23. Mai 2020 aufgeführt. Allerdings sei das Virus bereits vor diesem Zeitpunkt als meldepflichtige Krankheit von der Generalklausel in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG erfasst gewesen. Im Übrigen verstoße die Regelung gegen das sich aus § 307 Abs. 1 BGB ergebende Transparenzgebot und sei daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Abschnitt A § 1 Nr. 2 AVB enthalte eine versteckte Haftungsbeschränkung, weil die darin enthaltene Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern nicht mit denen in §§ 6 und 7 IfSG übereinstimme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 118.560,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2020 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 2.084,40 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits deshalb unbegründet, weil nicht die Schließung eines konkreten Betriebes, nämlich des Klägers, angeordnet worden sei, sondern die Schließung sämtlicher Betriebe. Insoweit reiche eine Allgemeinverfügung nicht aus. Unabhängig hiervon scheitere ein Anspruch des Klägers aber auch daran, dass eine Betriebsschließung wegen des Coronavirus SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei. Die in den Versicherungsbedingungen befindliche Auflistung der einen Versicherungsschutz begründenden Krankheiten und Krankheitserreger sei abschließend.
Mit Urteil vom 8. Februar 2021 (Bl. 51 ff. d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Betriebsschließung wegen ...