Leitsatz (amtlich)

Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB zwischen Besteller und Grundstückseigentümer nach Treu und Glauben.

 

Normenkette

BGB §§ 648, 885 I 2, § 242

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 5 O 181/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 27. Juni 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade geändert: Im Wege einstweiliger Verfügung wird angeordnet:

Im Grundbuch von … Blatt 7233, lfd. Nr. 1 bis 11, Gebäude- und Freifläche …, ist zugunsten der Klägerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek für die Ansprüche aus den Werkverträgen … (Außenanlagen-Straßenbau), … (Innenhöfe) sowie Stundenlohnarbeiten Hochbau in Höhe von 340.280,68 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 1. Dezember 2000 und einem Kostenquantum in Höhe von 26.658,34 DM einzutragen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer und Streitwert für das Berufungsverfahren: 122.313 DM.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) hat Erfolg.

Die Klägerin kann gegenüber der Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) im Wege einstweiliger Verfügung Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruches auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gemäß §§ 648 Abs. 1, 885 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen. Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung und Beantragung einer Vormerkung ist es nicht erforderlich, eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft zu machen. Der Klägerin steht ein unstreitiger Restwerklohnanspruch für Tiefbauarbeiten an dem Bauvorhaben … in … aus ihrer vierten und fünften Abschlussrechnung vom 28. Februar bzw. 30. März 2001, ihrer Abschlagsrechnung vom 30. November 2000 zu ihrem Nachtragsangebot zu dem vorgenannten Tiefbauauftrag sowie schließlich aus ihren Stundenlohnrechnungen vom 5., 8., 11. und 18. September 2000 in Höhe von insgesamt 340.280,68 DM zu. Dieser Anspruch richtet sich jedoch gegen ihre Vertragspartnerin, die Firma … und nicht gegen die Beklagte. Gleichwohl kann die Klägerin trotz Auseinanderfallens von Auftraggeber einerseits und Grundstückseigentümer andererseits Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück … in … verlangen. § 648 Abs. 1 BGB erfordert an sich Identität zwischen Grundstückseigentümer und Auftraggeber.

In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass diese erforderliche Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer formaljuristisch zu beurteilen ist. Der Unternehmer kann die Einräumung einer Sicherungshypothek mithin nur verlangen, wenn Besteller und Grundstückseigentümer im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs rechtlich dieselbe Person sind. Eine Übereinstimmung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise hingegen genügt in der Regel nicht (BGHZ 102, 95 ff.). Es ist jedoch anerkannt, dass in Ausnahmefällen eine Durchbrechung dieses Identitätsgrundsatzes nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten sein kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Identitätserfordernis jedenfalls dann zurücktreten, wenn ‚die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen es gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit von Besteller und Eigentümer’ zurücktreten zu lassen.

Die förmliche Verschiedenheit darf nicht etwa dazu führen, dem Bauhandwerker die ihm redlicherweise zustehende Sicherheit vorzuenthalten. Bejaht hat die Rechtsprechung diese Voraussetzungen z. B., wenn der Grundstückseigentümer die beherrschende Position gegenüber dem Besteller inne hat, die tatsächlichen Vorteile aus der Werkleistung zieht oder der zahlungsunfähige Mieter als Bestellung für umfangreiche Reparaturarbeiten vom Grundstückseigentümer nur vorgeschoben wird pp. Die Umstände des zur Entscheidung anstehenden Einzelfalles gebietet es nach Treu und Glauben, dem Kläger die Inanspruchnahme der Beklagten zu gestatten, obwohl diese nicht seine Vertragspartnerin ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich bei dem Umstand des Auseinanderfallens von Generalunternehmer und Eigentümer des zu bebauenden Grundstücks um eine alltägliche Situation handelt. Zu Recht hat deshalb der 14. Senat des Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 8. Juli 1999 (NJW-RR 2000, 387 f.) dem Subunternehmen normalerweise das Insolvenzrisiko des Hauptunternehmers zugewiesen.

Auch die unstreitige räumliche und personelle Verflechtung der beiden Gesellschaften gebietet allein betrachtet keine Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB. Der Klägerin war – auch bereits aus früherer Geschäftsbeziehung – bekannt, dass es sich um zwei verschiedene juristische Personen handelte. Auch wenn die Klägerin nunmehr darauf verweist, die Beklagte und die … seien im Rechtsverkehr ohne Trennung der juristischen Personen aufgetreten, in dem z...

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