Leitsatz (amtlich)
1. Zum Unterlassungsanspruch eines Landwirts gegen Geruchsimmissionen eines benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes.
2. Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) ist in Niedersachsen als Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle des § 906 BGB anwendbar.
3. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung von Geruchsbelästigungen ist es im Einzelfall geboten, über den Vergleich der auf der Grundlage der Geruchshäufigkeit objektiv berechneten Messwerte der GIRL hinaus Feststellungen zur subjektiv empfundenen Geruchsqualität und Geruchsintensität zu treffen.
Normenkette
BGB §§ 1004, 906
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 02.05.2008; Aktenzeichen 6 O 159/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2.5.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag die Unterlassung mehr als nur unwesentlicher Beeinträchtigungen von den Beklagten verlangt, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken, weil der Antrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. Denn grundsätzlich muss es dem Störer überlassen werden, auf welchem Wege er eine von ihm verursachte Eigentumsstörung abstellt. Im Falle einer Geruchsbelästigung ist zu bedenken, dass diese nicht objektiv messbar ist und deshalb - anders als z.B. im Falle einer Lärmbeeinträchtigung in der TA-Luft - normierte Grenz- oder Richtwerte fehlen. Die Rechtsprechung nimmt daher bei einem etwaigen Erfolg einer Klage mit entsprechend allgemein gehaltenem Tenor die im Vollstreckungsverfahren auftretenden Probleme hin (z.B. BGHZ 140, 1; OLG Karlsruhe in NJW-RR 2001, 1236).
Vergeblich wenden die Beklagten ferner ein, der Zulässigkeit der zivilgerichtlichen Klage stehe die Rechtskraft des Urteils des VG Lüneburg vom 2.6.2005 (Az. 2 A 159/04) entgegen. In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ging es um die Rechtmäßigkeit seitens der Verwaltungsbehörde aufgehobener Auflagen der den Beklagten im Jahr 1994 erteilten Baugenehmigung sowie um einen von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen die Rinderställe der Beklagten. Das VG Lüneburg hat damit in seinem Urteil über die von der zuständigen Baubehörde getroffenen Entscheidungen sowie über die Frage, ob zugunsten des Klägers Schutzanordnungen zu treffen waren, entschieden und dieser Entscheidung lag die Frage der Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzes zugrunde. D. h. in dem Verwaltungsverfahren ging es um die Frage, ob der Betrieb der Beklagten ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde nach den Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung erforderte. Auch wenn sich das VG in diesem Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung des Klägers als Nachbarn befassen musste und insofern eine Beurteilung der von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Belastungen vorgenommen hat, hat es sich nicht mit der Frage des privatrechtlichen Immissionsschutzes auseinander gesetzt, der ausschließlich anhand der Vorschriften der §§ 1004, 906 BGB zu beurteilen und im Zivilrechtsweg zu klären ist. Die Nichteinhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kann sich zwar auf die privatrechtlich zu klärende Frage der Wesentlichkeit einer Eigentumsbeeinträchtigung auswirken; hingegen indiziert die Feststellung, dass ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten wegen nicht verletzter öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht gerechtfertigt ist, nicht zwangsläufig das Fehlen der Voraussetzungen einer nach zivilrechtlichen Normen zu beurteilenden wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung.
II. Die Berufung ist indessen nicht begründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht zusteht. Denn der Kläger wird durch die von dem Rinderstall der Beklagten ausgehenden Gerüche nicht mehr als nur unwesentlich i.S.d. § 906 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB beeinträchtigt. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer objektiv nicht messbaren Geruchsimmission ist eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei unter Einbeziehung wertender Momente auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen ist (BGHZ 121, 248; BGHZ 140, 1; BGH in MDR 2006, 504).
1. Das LG hat zur Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle i.S.d. § 906 BGB auf die Geruchsimmissionsrichtlinie (=GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (= LAI) abg...