Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Pauschalpreisvereinbarung trotz möglicher Mindestsatzunterschreitung bei treuwidrigem Verhalten des Auftragnehmers.
Leitsatz (amtlich)
Eine Geltendmachung der Mindestsätze kann nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung vertrauen durfte und ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann (hier bejaht).
Ein schützenswertes Vertrauen in die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung kann auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber Voraussetzungen für gegeben hält, die eine Mindestsatzunterschreitung ausschließen, wie beispielsweise eine nicht vollständige Beauftragung aller Grundleistungen, so dass eine Honorarkürzung geboten sein könnte.
Normenkette
BGB §§ 242, 631 Abs. 1; HOAI 2013 § 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 211/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. September 2021 - 14 O 211/20 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 114.285,75 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Architektenhonorar.
Die Klägerin ist ein Ingenieurbüro, die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Im Rahmen eines Verkehrsprojekts für das Land S. war bei B. eine Flutbrücke neu zu errichten. Die vom Land ausgeschriebenen Leistungen beinhalteten nicht nur die Ausführung des Bauwerks, sondern auch eine vertiefende Planungsleistung. Die Beklagte wurde von der Landesstraßenbaubehörde S. am 28. Mai 2013 mit der Ausführung beauftragt und beauftragte ihrerseits die Klägerin mit Planungsleistungen. Zuvor gab es eine ca. zweijährige Verzögerung aufgrund eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem darüber entschieden wurde, welches Unternehmen den Zuschlag für den öffentlich-rechtlichen Auftrag erhielt.
Die Klägerin unterbreitete der Beklagten mit Schreiben vom 4. Juni 2013 (Anlage K1) ein erstes Angebot für ihre Planungsleistungen in Höhe von 310.623,00 EUR netto, wobei die einzelnen Leistungen mit Pauschalpreisen angegeben wurden. Eine Annahme erfolgte nicht. Die Klägerin begann dennoch mit Planungen.
Mit Schreiben vom 23.8.2013 übersandte die Klägerin der Beklagten einen Vertragsentwurf (Anlage K4), der ein Pauschalhonorar in Höhe von 400.000,00 EUR vorsah. In diesem Vertragsentwurf wurden die letztlich beauftragten und erbrachten Leistungen unter § 3 "Leistungen des Auftragnehmers" mit einem pauschalen Betrag in Höhe von 170.000,00 EUR bewertet. Die dort noch aufgeführte Leistung "Ermittlung der Ausgleichsgradiente" wurde nicht beauftragt und erbracht.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 erinnerte die Klägerin an die Unterzeichnung des Vertrages (Anlage K5) und erläuterte die Preisgestaltung mit Schreiben vom 15. Mai 2014 (Anlage K6).
Mit Schreiben vom 18. Juli 2014 (Anlage K7) übersandte die Beklagte an die Klägerin einen Vertragsentwurf, der einen Pauschalbetrag in Höhe von 161.713,27 EUR netto für die bereits in der Anlage K4 aufgezählten Leistungen festsetzte (vgl. Anlage zum Vertragsentwurf). Die Position "Ermittlung der Ausgleichsgradiente" war dort nicht mehr aufgeführt.
Eine von beiden Parteien unterzeichnete Vereinbarung gibt es nicht.
In der Zwischenzeit erbrachte die Klägerin die vereinbarten Leistungen und rechnete Abschläge ab, die auch bezahlt wurden. In ihren Abschlagsrechnungen nahm die Klägerin stets auf "bestehende Vereinbarungen" Bezug (vgl. Abschlagsrechnungen Nr. 4, 5, 6 = K 21, 22, 9).
Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 überreichte die Klägerin die 6. Abschlagsrechnung, mit der sie die ihr obliegenden Leistungen als fast vollständig erbracht deklarierte (lediglich bei den Bestandsunterlagen gab sie einen Leistungsstand von 95% an, sonst immer 100%) und zu einem Nettohonorar von 170.000,00 EUR abrechnete (abzüglich 1.000,00 EUR aufgrund der fehlenden 5% für die Bestandsunterlagen). Sie nahm erneut Bezug auf die "bestehenden Vereinbarungen" zwischen den Parteien (vgl. Anlage K9).
Die Beklagte kürzte diesen Betrag auf 161.713,27 EUR netto.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2015 widersprach die Klägerin dieser Kürzung und erklärte, Herr Z. habe am 4. Juni 2015 zugestimmt, das Honorar auf 170.000,00 EUR anzupassen (Anlage K10).
Mit Schreiben vom 27.11.2015 (Anlage K11) erklärte die Klägerin, dass sie bei Nichtzahlung des gekürzten Rechnungsbetrages in Höhe von ...