Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherer, auf den nach § 116 SGB X der Anspruch des Versicherten übergegangen ist, ist nicht "Geschädigter" i. S. Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) EuGVVO.
Normenkette
EuGVOO Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b)
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 09.07.2008; Aktenzeichen 4 O 322/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.7.2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer/Einzelrichter des LG Lüneburg wird zugewiesen.
Der Klägerin fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Krankenversicherin mit Sitz im Bezirk des angerufenen LG, nimmt aus übergegangenem Recht die Beklagte, ein polnisches Versicherungsunternehmen, auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 12.7.2004 in Polen ereignete.
An dem Unfall beteiligt war der bei der Klägerin krankenversicherte ...# und Herr ..., der einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw führte. Bei dem Verkehrsunfall wurde der Versicherte der Klägerin schwer verletzt, Herr ... verstarb. Die Klägerin leistete als Trägerin der Krankenversicherung Krankengeld, Beiträge zur Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung und zur Krankenversicherung sowie ärztliche Behandlungskosten. Auf Erstattung dieser Kosten nimmt die Klägerin die Beklagte in Anspruch.
Die Klägerin meint, zuständig sei das angerufene LG Lüneburg, jedenfalls aber das LG Itzehoe als Wohnsitzgericht ihres geschädigten Versicherungsnehmers. Die Entscheidung der 2. Kammer des Europäischen Gerichtshofes vom 13.12.2007 (VersR 2008, 111 ff.), nach der der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedsstaat, in dem er seinen Wohnsitz habe, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben könne, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates habe, gelte auch für die Klägerin, auf die Ansprüche des Geschädigten durch Legalzession übergegangen seien.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.472,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.3.2008 zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LG Itzehoe abzugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, für die vorliegende Klage sei ein Gerichtsstand in Deutschland nicht gegeben. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes beziehe sich ausschließlich auf den Geschädigten.
Im Übrigen erhebt sie den Einwand doppelter Rechtshängigkeit im Hinblick auf das von dem Versicherungsnehmer der Klägerin angestrengte eigene Klagverfahren in Polen. Zudem gewähre das polnische Recht keine Direktklage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer.
Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen und dazu ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerin begründe Art. 11 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 9 Abs. 1b EuGVVO keine Zuständigkeit des angerufenen LG. Die Klägerin sei nicht als Geschädigte im Sinne dieser Vorschriften anzusehen. Die Klägerin befinde sich nicht in einer Situation, die eine Ausnahme von der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO rechtfertige.
Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 118 ff.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klagantrag weiter verfolgt.
Sie ist der Auffassung, auch zu ihren Gunsten begründeten die genannten Vorschriften in der Auslegung, die sie durch den Europäischen Gerichtshof erlangt hätten, einen Gerichtsstand in Deutschland. Nach dem EU-Beitritt Polens sei der Forderungsübergang gem. § 116 SGB X auch von Polen anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen;
2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts abändernd die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.472,47 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.3.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Klägerin sei nicht als "schwächere Partei" anzusehen, deren Schutz Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) EuGVVO bezwecke.
Zudem sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Die Beklagte ist der Auffassung, die Frage des Forderungsüberganges bemesse sich nach polnischem Recht. Sie behauptet, dieses gestehe einem Sozialversicherer kein Regressrecht zu.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze und Anlagen der Parteien Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, denn ...