Entscheidungsstichwort (Thema)
Haushaltsführungsschaden bei geringer Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
1. Auf einen Erfahrungsgrundsatz, dass eine Erwerbsminderungen von 20 % oder weniger für die Haushaltsführungstätigkeit keine praktische Auswirkung hätten, kann nicht abgestellt werden, wenn aufgrund eines Sachverständigengutachtens feststeht, dass sich die unfallbedingte Beeinträchtigung auf die Haushaltsführungstätigkeit tatsächlich auswirkt.
2. Hat die Geschädigte vor dem Unfall den Haushalt allein geführt, muss sie grundsätzlich nicht durch anderweitige innerfamiliäre Verteilung der Haushaltstätigkeit die Schadensersatzverpflichtung des Schädigers niedrig halten.
Normenkette
BGB § 843
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 06.08.2004; Aktenzeichen 1 O 7/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 6.8.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 924 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.5.2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 6.11.2001 der Klägerin einen wöchentlichen Haushaltsführungsschaden von 7 Stunden für die Zeit vom 1.4.2003 bis zum 31.10.2004 zu ersetzen und weiterhin verpflichtet ist, den ab dem 1.11.2004 entstehenden Haushaltsführungsschaden zu ersetzen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 44 % und die Beklagte 56 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO):
Die Berufung der Klägerin erweist sich ganz überwiegend als begründet. Ihr steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz des ihr infolge des Verkehrsunfalls vom 6.11.2001 entstandenen Haushaltsführungsschadens zu, und zwar annähernd in der Höhe, wie sie sie im Berufungsverfahren (eingeschränkt) weiterverfolgt.
Bei dem Verkehrsunfall ist - was zwischen den Parteien nicht streitig ist - die ordnungsgemäß auf dem Radweg fahrende Klägerin erheblich verletzt worden, weil ein Versicherungsnehmer der Beklagten mit seinem Geländewagen wegen überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern gekommen ist, über den Bordstein gerutscht ist und die Klägerin erfasst hat. Nach dem in erster Instanz eingeholten (und von den Parteien inhaltlich nicht angegriffenen) Gutachten des orthopädischen Sachverständigen Dr. H. vom 15.9.2003 (Bl. 61 ff.) ist die Klä-gerin aufgrund der Verletzungsfolgen zwar nur zu 15 % erwerbsunfähig, jedoch seit dem Unfallzeitpunkt und auch weiterhin bei bestimmten Haushaltstätigkeiten beeinträchtigt (beispielsweise Bettenbeziehen, schweres Heben und Tragen, Arbeiten in Zwangshaltung). Der Auffassung der Einzelrichterin, gleichwohl sei der Klägerin hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeiten ein Schaden deswegen nicht entstanden, weil dieser im Rahmen der Schadensminderungspflicht ohne weiteres zu kompensieren sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Soweit sich das LG dabei (unter Zitat diverser obergerichtlicher Entscheidungen) auf den Erfahrungssatz beruft, dass Erwerbsminderungen von 20 % und weniger für die Haushaltsführungstätigkeit keine praktische Auswirkung hätten, greift dies im vorliegenden Fall gerade nicht durch. Zum einen steht durch das eingeholte Sachverständigengutachten fest, dass sich die unfallbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin auf die Haushaltsführungstätigkeit in dem beschriebenen Umfang im vorliegenden Fall gerade doch auswirken. Zum anderen muss sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen, durch anderweitige innerfamiliäre Verteilung der Haushaltsführungstätigkeit die Verpflichtung ihres Schädigers (bzw. seiner Versicherung) möglichst gering zu halten: Dabei kommt es schon nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Ehemann der Klägerin dieser bei ihrer Haushaltsführungstätigkeit zur Mithilfe verpflichtet sein könnte, sondern vielmehr darauf, was die Klägerin und ihr Ehemann vor dem Unfall hinsichtlich der Verteilung der Haushaltstätigkeiten vereinbart haben (zumindest, solange eine solche Vereinbarung nicht gegen die guten Sitten verstößt). Entscheidend ist nicht die unterhaltsrechtliche Verpflichtung, sondern der tatsächliche Umfang der ohne den Unfall durchgeführten Haushaltstätigkeit (Geigel, Haftpflichtprozess, 24. Aufl. 2004, 4. Kap., Rz. 140, m.w.N.). Dass im vorliegenden Fall die Klägerin für die Führung des Haushalts allein verantwortlich war, ist bei einer Familie mit drei schulpflichtigen Kindern und einem außer Haus arbeitenden Ehemann sicherlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat die Klägerin nachvollziehbar erläutert, dass und warum ihr beruflich stark eingespannter Ehemann bzw. ihre allergiebelasteten Kinder im Haushalt allenfalls zu sehr eingeschränkter Mithilfe befähigt sind. Soweit ...