Leitsatz (amtlich)
1. Der alleinvertretungsberechtigte Vorstand einer AG geht mit der Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein finanzschwaches Upstart-Unternehmen als Vertragspartner der Gesellschaft kein unvertretbares Risiko ein, wenn der Kredit die Durchführung eines Kooperationsvertrages mit dem Vertragspartner ermöglichen soll, die Rechtsverhältnisse des Vertragspartners und die durchzuführenden Kooperationsprojekte vor Abschluss des Kooperationsvertrages im Hause der Konzernmutter geprüft worden sind und dabei der Sicherheitenstellung in dem gesondert abzuschließenden Darlehensannexvertrag keine Bedeutung zugemessen wurde.
2. Die Nichtdurchführung eines Risikomanagementverfahrens über die Darlehensgewährung an einen Vertragspartner stellt keine Pflichtverletzung des Vorstands dar, wenn ihm alle dabei ermittelbaren Informationen bekannt sind und er zur alleinigen Entscheidung über den Vertragsabschluss befugt ist.
3. Bei der Prüfung, ob ein Vorstand ein unvertretbares Risiko eingegangen ist, ist die unternehmensnahe Eigenbeurteilung des Gesamtvorstandes sowie der Aufsichtsratsmitglieder der Konzernmutter ein wesentliches Indiz.
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 3 O 314/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe hinsichtlich des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbracht hat.
Gründe
I. Der Beklagte war Vorstandsmitglied einer Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen des Vorwurfs, der Beklagte habe pflichtwidrig ein Darlehen gewährt.
Der Beklagte war zwischen 1999 und Juni 2004 Vorstandsmitglied für Finanzen der N. AG, die ... letztlich mit der jetzigen Klägerin, der P. AG, zum 31.10.2005 verschmolzen wurde. Im Hebst 2001 war der Beklagte ein allein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der N. AG, einer damaligen 100 %igen Tochtergesellschaft der jetzigen Klägerin.
Am 27.9.2001 schlossen die Klägerin, die N. AG und die I. einen notariellen Rahmen- und Kooperationsvertrag, in dem sich die I. für die Dauer von 3 Jahren zu Übertragung von bis zu 300 Standorten für die Errichtung von Windenergieanlagen an die N. AG verpflichtete. Als Gegenleistung sollte die I. bis zu 2 Mio. Aktien der Klägerin erhalten. Weiterhin sah dieser Vertrag den "unverzüglichen" Abschluss eines Darlehehsvertrages zur Gewährung eines Darlehens durch die N. AG i.H.v. bis zu 15 Mio. DM an die I. vor.
Ebenfalls am 27.9.2001 unterzeichnete der Beklagte in seiner Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der N. AG in deren Namen mit der I. einen Darlehensvertrag, in dem sich die N. AG dazu verpflichtete, der I. zur Finanzierung ihres laufenden Geschäftsbetriebes ein Darlehen i.H.v. bis zu 15 Mio. DM mit einer Laufzeit bis zum 30.9.2004 und einer Verzinsung von 8 % p.a. zu gewähren. Eine Einräumung von Sicherheiten war in dem Vertrag nicht geregelt.
Am 2.10.2001 und am 2.4.2002 zahlte die N. AG in Anrechnung auf das Darlehen jeweils 2.556.459,41 EUR an die I. aus. Mit Schreiben vom 12.8.2003 kündigte die N. AG beide Verträge und forderte die Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 5.621.243,84 EUR als "aufgrund des Darlehensvertrages derzeit offener Betrag einschließlich Zinsen per heute". Die I. kam dieser Zahlungsaufforderung trotz Mahnung nicht nach. Am 30.4.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. eröffnet.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.8.2004 ist der Beklagte erfolglos zur Zahlung von 4.294.309,32 EUR incl. Zinsen zum 30.4.2004 aufgefordert worden. Zuvor war der Beklagte mit dem Vertrag vom 2.6.2004 unter Erteilung einer Ausgleichsquittung auch aus der P. ausgeschieden.
Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der klageabweisenden Entscheidung des LG wird auf dessen Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin meint, auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des LG sei ein mehrfach pflichtwidriges Verhalten des Beklagten anzunehmen, weil er sich vor der Darlehensvergabe nicht hinreichend informiert habe, das obligatorische Risikomanagementverfahren nicht beachtet habe, das Darlehen ohne die notwendigen Absicherungen gewährt und die Freigabe der Darlehenstranchen verfügt habe. In Einzelfragen sei die Beweiswürdigung des LG nicht frei von Zweifeln.
Die Entscheidung BGHZ 135, 244, 253 f. gebe ein verantwortungsbewusstes, am Unternehmenswohl orientiertes unternehmerisches Handeln als Prüfungsziel vor. Das unternehmerische Handeln müsse auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhen, die Bereitschaft zur Eingehung unternehmerischer Risiken dürfe nicht in unverantwortlicher Weise überspannt werden und das Verhalten des Vorstands dürfe nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten. Diese Gr...