Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung zur Vertragsstrafe, Adresshandel
Leitsatz (amtlich)
Eine unter Adresshändlern verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der der Vertragspartner des Verwenders eine Vertragsstrafe i.H.v. 25.000 EUR zu zahlen verpflichtet ist, wenn er für eine von ihm gelieferte Adresse, für deren Verwendung er ein Entgelt von 0,15 EUR erhält, nicht binnen 24 Stunden auf Nachfrage eine Einwilligungserklärung des Adressinhabers nachweist, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 307, 310, 339
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen 4 O 242/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.5.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Lüneburg teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Vertragsstrafe gemäß einer Klausel, die sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihrer Zedentin, der Q. GmbH (Anlage K 3, Bl. 17 ff. d.A.) befindet. Gegenstand des Vertragsverhältnisses zwischen der Zedentin und der Beklagten war die Lieferung von Adressen, wobei die Beklagte ihren gesamten Adressbestand treuhänderisch bei der Zedentin hinterlegte.
Nach vorangegangener mehrjähriger Zusammenarbeit begehrte die Beklagte, die bei der Zedentin Umsätze i.H.v. 684.233 EUR erwirtschaftet hatte (Bl. 195, 317 d.A.), ihren gesamten Adressbestand von dieser zurück.
In der Folgezeit verlangte die Zedentin von der Beklagten den Nachweis von Einwilligungserklärungen ("Opt-Ins") hinsichtlich diverser Verbraucher, den die Beklagte indes verweigerte. Hinsichtlich derartiger Einwilligungserklärungen verhalten sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Zedentin wie folgt:
"7. Opt-In-Nachweis und Prüfung der Leistung
7.1 Zu liefernde oder vom Lieferanten im Rahmen einer von ihm technisch durchzuführenden Kampagne zu verwendende Datensätze müssen stets mit entsprechenden Einwilligungserklärungen der jeweiligen Unternehmen/Personen (sog. 'Opt-Ins') vorliegen. Auf Verlangen von Q. muss der Lieferant angefragte Opt-Ins gegenüber Q. binnen 24 Stunden nach Anfrage nachweisen und schriftlich zur Verfügung stellen. Diese Verpflichtung besteht zeitlich unbefristet.
7.2 ...
Verstößt der Lieferant schuldhaft gegen seine Verpflichtung, entsprechende Opt-Ins vorzuhalten oder seine Nachweispflicht nach dem vorstehenden Absatz, hat er der Q. in jedem Fall eine Vertragsstrafe von 25.000 EUR zu zahlen ..."
Gemäß Nr. 6.5 der AGB ist es der Zedentin ferner gestattet, Opt-Ins anlassunabhängig anzufordern.
Die Klägerin, die sich vorprozessual eines Vertragsstrafenanspruchs von insgesamt 1,7 Mio. Euro berühmt hat (Bl. 11, 32 d.A.), hat mit der Klage insgesamt vier Vertragsstrafen zu je 25.000 EUR geltend gemacht.
Das LG hat der Klage wegen zweier von vier Verstößen, nämlich hinsichtlich der Verbraucher K. und K., also i.H.v. insgesamt 50.000 EUR stattgegeben. Die AGB zur Vertragsstrafe seien weder wegen des Verhältnisses der Strafhöhe zur Vergütung für eine verwendete Adresse (25.000 EUR zu 0,15 EUR) unangemessen noch wegen der strafbewehrt sanktionierten 24-Stunden-Frist, hinsichtlich der zu berücksichtigen sei, dass eine Strafe nur bei Verschulden verwirkt sei. Aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Geschäftsführerin und des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sei festzustellen, dass die Datensätze hinsichtlich der Verbraucher K. und K., wegen deren fehlender Opt-In-Erklärungen Vertragsstrafen geltend gemacht werden, tatsächlich von der Beklagten herrührten. Ebenso sei davon auszugehen, dass hinsichtlich dieser beiden Verbraucher die Zedentin ihrerseits Anfragen ihrer Abnehmer ausgesetzt gewesen sei. Ohne derartige Anfragen, das ergebe eine wertende Zusammenschau von verschiedenen Regelungen der AGB, sei eine Vertragsstrafe nicht geschuldet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Prozessziel vollständiger Klagabweisung weiterverfolgt. Sie macht geltend, die Vertragsstrafenbestimmung in den AGB sei schon wegen des auffälligen Missverhältnisses zwischen Vergütung pro Adresse und Vertragsstrafe pro fehlendem Opt-In unwirksam. Auch die vom LG durchgeführte Beweisaufnahme zur Herkunft der angeblich beanstandeten Verbraucheradressen sei fehlerhaft. Letztlich sei das LG bloßen Schlussfolgerungen der Geschäftsführerin der Klägerin, die ihrerseits nur vom Hören-Sagen berichtet habe, gefolgt.
Die Klägerin verteidigt die angefochten...