Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 16.04.2021; Aktenzeichen 4 O 60/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 16. April 2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages oder Hinterlegung, sofern nicht die Klägerin Sicherheit leistet in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird - für den Rechtsstreit in beiden Instanzen - festgesetzt auf eine Gebührenstufe bis zu 2.000.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner nach Anfechtung eines Immobilienkaufvertrages, hilfsweise nach Rücktritt von dem Vertrag auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Ausgleich der entstandenen sowie zukünftig entstehenden Vermögenseinbußen im Wege des Schadensersatzes oder aus einem Rückabwicklungsschuldverhältnis in Anspruch. Sie begehrt eine Erfüllung überwiegend Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Einheiten an Gemeinschafts- und Sondereigentum, ferner die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein notarieller Kaufvertrag über mehrere Gemeinschafts- und Sondereigentumseinheiten in einem großen Gebäudekomplex mit gewerblicher und Wohnnutzung in H., die die Klägerin von der Beklagten zu 1 mit Vertrag des Notars Dr. H., H., vom 25. März 2019 (UR-Nr. XXX; Anlage K 1, Anlagenordner) zu einem Kaufpreis von 1.525.000 EUR erwarb. Der Beklagte zu 2 führte die Verhandlungen als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 für diese. Der Vertrag enthielt in § 5 Nr. 3 "(Sachmängel, Beschaffenheit)" Regelungen zum Ausschluss der Gewährleistungspflicht. In § 4 "Besitz, Nutzen, Lasten" traf u.a. die Beklagte zu 1 unterschiedliche Aussagen und Zusicherungen zu Sonderumlagen (§ 4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 7). In § 4 Nr. 8 des Vertrages bestätigte die Klägerin, die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Die Klägerin wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
In der Eigentümerversammlung vom 15. Januar 2020 fasste die Gemeinschaft der Eigentümer einen Beschluss, welcher die Finanzierung umfangreicher Sanierungsarbeiten zum Gegenstand hatte. In dessen Folge wurde die Klägerin auf Zahlung einer Sonderumlage in Anspruch genommen. Die Klägerin nahm diesen Beschluss zum Anlass der Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, vorsorglich zur Erklärung des Rücktritts von dem Vertrag (Anlage K 8, Anlagenordner).
Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand und die sonstigen tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 16. April 2021 - in der Fassung gemäß dem Beschluss zur Berichtigung des Tatbestandes vom 10. Juni 2021 - Bezug genommen, insbesondere auf die Wiedergabe des Parteivortrages und die gestellten Anträge.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen die Beklagte zu 1 stünden der Klägerin keine Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis aus §§ 346, 437 Nr. 2, § 323 BGB oder auf Schadensersatz aus § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB aufgrund eines Mangels zu. Die Belastung der Klägerin mit der Sonderumlage stelle keinen Sachmangel dar. Der Sanierungsaufwand des Gesamtkomplexes sei den Parteien vor Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen und werde von der Klägerin auch nicht als Sachmangel geltend gemacht. Die Belastung der Klägerin mit der Sonderumlage bilde ferner keinen Rechtsmangel gemäß § 435 BGB. Denn Rechtsmängel könnten nur dann geltend gemacht werden, wenn sie bis zum Eigentumsübergang begründet worden seien. Dies sei hier angesichts der bereits im Juli 2019 erfolgten Grundbucheintragung der Klägerin als Eigentümerin nicht der Fall.
Der Klägerin stünden des Weiteren keine Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis aus §§ 346, 437 Nr. 2, §§ 323, 324, 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB oder auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zu. Die Erklärungen der Beklagten zu 1 in § 4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 7 des Kaufvertrages zu den Sonderumlagen seien richtig gewesen. Der entsprechende Beschluss und der diesem zugrunde liegende Vergleich seien erst nach dem Eigentumsübergang geschlossen bzw. gefasst worden. Nach der Beschlusslage im Zeitpunkt des Kaufvertrages hingegen seien die Sanierungskosten von einem Investor zu tragen gewesen.
Die streitbefangene Sonderumlage habe beim Abschluss des Kaufvertrages auch noch nicht bevorgestanden; für die Beklagten habe es noch nicht "im Raum gestanden", dass es zu der Sonderumlage kommen werde. Die von der Klägerin dargelegten Umstände ließen einen solchen Schluss nicht zu. So sei laut Protokoll vom 1. November 2016 in der damaligen Versammlung zu TOP...