Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherer kann sich auch dann zur Begründung seines Regressanspruchs gegen den Versicherungsnehmer nicht auf seine alten AKB 2005 berufen, wenn er seine AKB zwar umgestellt hat, er aber deren Zugang nicht beweisen kann, und der Versicherungsnehmer vorsätzlich gegen Obliegenheiten verstoßen hat (Trunkenheitsfahrt im Jahr 2009).
Normenkette
VVG § 28; EGVVG Art. 1 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 28.02.2011; Aktenzeichen 8 O 303/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28.2.2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Verden geändert; die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 16.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die klagende Versicherung macht gegen ihren früheren Versicherungsnehmer Regressansprüche geltend.
Zwischen den Parteien bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag für einen VW LT, amtliches Kennzeichen:... Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin mit Stand 1.5.2005 zugrunde (Bl. 25 ff., Versicherungsschein Bl. 57 f.). § 2b) Abs. 2 AKB sieht eine Leistungsfreiheit des Versicherers vor, wenn der Fahrer infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Nach § 2b) Abs. 3 AKB ist in einem solchen Fall die Leistungsfreiheit auf den Betrag von höchstens je 5.000 EUR beschränkt. § 7 I. Abs. 2 AKB regelt die Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalls. Die Folgen einer solchen Obliegenheitsverletzung bestimmt § 7 VI. Abs. 2 AKB dahingehend, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einen Betrag von maximal 2.500 EUR beschränkt ist, sich aber auf einen Betrag von maximal 5.000 EUR erweitert bei vorsätzlich begangener Verletzung der Aufklärungs- oder Schadensminderungspflicht, z.B. bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort.
Im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit, nämlich mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6g -, fuhr der Beklagte am frühen Morgen des 7.7.2009 mit dem versicherten VW L. Gegen 04:40 Uhr stieß er gegen einen ordnungsgemäß abgestellten Pkw M., wenig später gegen einen ebenfalls parkenden VW P. In beiden Fällen entfernte sich der Beklagte vom Unfallort. Die Klägerin zahlte an die Geschädigten in einem Fall mehr als 10.000 EUR, im zweiten Fall 2.313,26 EUR (Bl. 16, 23 f.). Wenig später stieß der Beklagte mit einem ihm entgegenkommenden Pkw Opel T. frontal zusammen, wobei ein von der Klägerin erstatteter Schaden i.H.v. über 10.000 EUR entstand (Bl. 20).
Die Klägerin behauptet Regressforderungen über 10.000 EUR, 2.313,26 EUR und 5.000 EUR. Sie hat die Auffassung vertreten, maßgeblich seien die neuen AKB, von denen der Beklagte Kenntnis gehabt habe, weil die Klägerin ihm eine synopsenartige Zusammenstellung, betreffend insbesondere die Änderungen in §§ 2b) und 7 AKB (Bl. 31/31 R.), übersandte habe. Ihr stehe der klagweise geltend gemachte Betrag von 14.369,35 EUR zu, wobei die Differenz zu 17.313,26 EUR darauf beruhe, dass Ansprüche der Berufsgenossenschaft der beim letztgenannten Unfall verletzten Fahrzeugführerin i.H.v. 2.943,91 EUR nicht ausgeglichen worden seien.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.369,35 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1.1.2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Er hat eine wirksame Anpassung der AKB in Abrede genommen. Die der Regressforderung zugrunde liegenden AKB seien gem. § 306 Abs. 2 BGB unwirksam. Die neuen AKB (Bl. 72 ff.) seien in das Versicherungsverhältnis nicht wirksam aufgenommen worden. Überdies handele es sich um nur eine Fahrt, so dass allenfalls Leistungsfreiheit i.H.v. 2 × 5.000 EUR bestehe.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Es lägen drei Schadensfälle vor. Von einer Umstellung der AKB könne nicht ausgegangen werden; für den von der Klägerin behaupteten Zugang der umgestellten Vertragsbedingungen sei sie beweisfällig geblieben. Inwieweit in einem Fall nicht erfolgter Umstellung die alten, ursprünglich vereinbarten Vertragsbedingungen unwirksam seien oder aber jedenfalls in gewissem Umfang ihre Wirksamkeit behielten, sei strittig, wobei der Meinungsstand näher dargelegt wird. Zugrunde zu legen sei die Ansicht, die vorliegend dazu führe, dass die Klägerin in Höhe der geforderten Beträge leistungsfrei bleibe. Auch gem. § 28 VVG sei der Versicherer bei vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers leistungsfrei. Überdies wic...