Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbe- und Vertriebsverbot für ein das Extrakt der Kudzuwurzel enthaltenes Nahrungsergänzungsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vertrieb und die Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels, das ein Extrakt der Kudzuwurzel enthält, verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 259/97 (Novel-Food-Verordnung), wenn für das Mittel keine Zulassung oder Notifizierung bzw. keine Festlegung nach der Novel-Food-Verordnung besteht.

2. Die Erteilung des Status "FS" im Novel-Food-Katalog bedeutet nicht, dass das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat im nennenswerten Umfang bereits vor dem 15.5.1997 für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.

3. Die Aufnahme eines Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat in den Novel-Food-Katalog ist für die nationalen Gerichte nicht bindend.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11; EGV 258/97 Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, 4; NemV § 5; LFGB § 54

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 18.10.2012; Aktenzeichen 8 O 96/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.04.2015; Aktenzeichen I ZR 27/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.10.2012 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Stade wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziff. 1 wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "Kudzu 300 mg GPH Kapseln" zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern für das Mittel keine Zulassung oder Notifizierung nach der Novel-Food-Verordnung (Verordnung EG 258/97) oder keine Festlegung gem. Art. 1 Abs. 3 der Novel-Food-Verordnung besteht.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 30.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, macht wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend wegen des von der Beklagten beworbenen und vertriebenen Nahrungsergänzungsmittels "Kudzu 300 mg GPH Kapseln".

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das LG hat der auf Unterlassung gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte ferner zur Zahlung der geltend gemachten Abmahnkostenpauschale von 166,60 EUR verurteilt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Im streitrelevanten Produktbereich der Gesundheitsprodukte und Nahrungsergänzungsmittel verfüge der Kläger ausweislich der von ihm eingereichten Mitgliederliste über eine ausreichende Zahl von Mitgliedern.

Bei der Novel-Food-Verordnung handele es sich um eine marktregulierende Vorschrift i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Es sei zwischen den Parteien auch unstreitig, dass es sich bei dem Produkt um ein Nahrungsergänzungsmittel handele. Es sei davon auszugehen, dass Kudzu bislang in der Europäischen Gemeinschaft noch nicht im nennenswerten Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sei. Dabei sei auf den 15.5.1997, den Tag des In-Kraft-Tretens der Novel-Food-Verordnung abzustellen. Der Kläger sei seiner primären Darlegungslast in Bezug auf die negative Tatsache der fehlenden Verwendung von Kudzu in der Europäischen Gemeinschaft nachgekommen. Hingegen habe die Beklagte nicht hinreichend substantiiert Umstände aufgezeigt, aus denen auf das Gegenteil geschlossen werden könne. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass Kudzu im nennenswerten Umfang etwa in Reformhäusern, Bioläden oder bestimmten Verkaufsketten vertrieben worden sei. Sie habe auch nicht dazu vorgetragen, seit wann spätestens Kudzu auf dem Europäischen Markt präsent sei und welches Umsatzvolumen generiert worden sein könnte. Aus der Auflistung der Pflanze im sog. Novel-Food-Katalog ergebe sich nicht, dass Kudzu bereits vor dem 15.5.1997 in der Europäischen Union im nennenswerten Umfang als Nahrungsergänzungsmittel für den menschlichen Verzehr verwendet worden und daher nicht als neuartiges Lebensmittel i.S.d. Verordnung einzustufen sei. Ausweislich des Katalogs habe Kudzu nämlich den Status "FS" erhalten. Danach gehe die Kommission zwar davon aus, dass das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel vor dem 15.5.1997 verwendet worden sei. Daraus folge aber nicht, dass dies im nennenswerten Umfang geschehen sei. Denn einen entsprechenden Status, bei dem das Produkt mit einem Häkchen auf grünem...

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