Leitsatz (amtlich)
Annahme eines "fingierten" Verkehrsunfalls, wenn der wirtschaftlich Begünstigte nicht unmittelbar an der Pkw-Beschädigung beteiligt war.
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 02.12.2009; Aktenzeichen 2 O 137/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Stade vom 2.12.2009 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Mercedes Bank AG,..., 13.456,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.11.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen werden dem Kläger und dem Beklagten zu 1 je zur Hälfte auferlegt.
Von den in beiden Instanzen angefallenen außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger die der Beklagten zu 2 voll und die Hälfte der eigenen, der Beklagte zu 1 die eigenen und die Hälfte derjenigen des Klägers.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Pkw des Klägers. In erster Instanz ist die Klage insgesamt abgewiesen worden, weil die Kammer davon überzeugt gewesen ist, es handele sich um einen sog. "fingierten" Verkehrsunfall. Dies ficht der Kläger mit seiner Berufung an. Es handele sich nicht um einen von dem Beklagten zu 1 vorsätzlich verursachten Verkehrsunfall. Wirtschaftliche Vorteile aus dem Vorgang habe allenfalls der Kläger ziehen können (S. 3 und 4 der Berufungsbegründung, Bl. 136 f. d.A.). Der Beklagte zu 1 und der Zeuge K., dem der Kläger seinen Pkw im Unfallzeitpunkt überlassen hatte, hätten von dem Unfall nicht profitieren können.
II. Die Berufung ist nur teilweise begründet. Der Klage war ggü. dem Beklagten zu 1 überwiegend stattzugeben. Gegenüber der Beklagten zu 2 bleibt sie erfolglos.
1. Aktivlegitimation des Klägers:
Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 ist der Kläger berechtigt, auch die Schadensersatzansprüche der Mercedes Bank AG, die aufgrund des Darlehensvertrags vom 23.9.2006 Sicherungseigentümerin des Pkw des Klägers ist, im eigenen Namen in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen. Dem trägt der Klageantrag zu 2 Rechnung.
2. Fingierter Verkehrsunfall:
Der Senat ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Beklagte zu 1 in Absprache mit dem Kläger und dem Zeugen K. vorsätzlich gegen den am Straßenrand abgestellten Pkw des Klägers gefahren ist und diesen beschädigt hat. Der Vorgang weist "lehrbuchartig" sämtliche Merkmale auf, die bei einer Unfallmanipulation auftreten. Der Senat hat aufgrund der Gesamtumstände keinen Zweifel, dass die Beschädigung am Pkw des Klägers vorsätzlich herbeigeführt wurde.
a) Für diese Würdigung sind zunächst folgende Merkmale des Vorgangs maßgeblich:
(1) Bei dem Pkw des Klägers handelt es sich um ein Luxusfahrzeug (Mercedes E-Klasse, 306 PS, 5 Liter Hubraum, im Unfallzeitpunkt gut 5 Jahre alt, mit Sonderausstattung wie Navigationssystem etc.).
(2) Wegen der Motorgröße und PS-Zahl handelt es sich damit um ein in der Unterhaltung teures Fahrzeug, das deshalb gegenwärtig nur relativ schwer verkäuflich sein dürfte.
(3) Der auffahrende Pkw Renault des Beklagten zu 1 war ein "Schrottfahrzeug", das praktisch keinen nennenswerten Wert hatte.
(4) Der minderwertige Pkw Renault wurde aus nicht recht nachvollziehbaren Gründen nur für das hier in Rede stehende Wochenende angemeldet (vgl. dazu die persönliche Erklärung des Beklagten zu 1 vor der Kammer, Bl. 68 d.A.), weil dies angeblich günstiger gewesen sein soll, als einen anderen Wagen zu leihen oder zu mieten. Der Pkw Renault war deshalb nur mit einem roten Kurzzeitkennzeichen ausgestattet.
(5) Der Unfallhergang ist unkompliziert und gefahrlos: stehender Pkw ohne Insassen, der von einem langsam fahrenden Pkw seitlich gestreift wird.
(6) Die Haftungslage ist eindeutig.
(7) Der Unfallverursacher hat den Unfallhergang und seine Alleinschuld sofort ggü. der Polizei eingeräumt (Bl. 5, 135 d.A.).
(8) Der Anlass des Verkehrsunfalls ist nicht nachvollziehbar: Der Beklagte zu 1 hat dazu erklärt, es sei "etwas" über die Straße gelaufen, er "meine", das sei "eine Katze von links" (Ermittlungsverfahren, Bl. 5 R d.A.), "ein Hund" (Protokoll Bl. 67 d.A.) oder ein "Tier" (Protokoll Bl. 68 d.A.) gewesen. Daraufhin habe er vor Schreck "das Lenkrad verrissen" und sei gegen den geparkten Mercedes gefahren.
(9) Der Unfall geschah bei Dunkelheit (7.11.2008, 21:45 Uhr).
(10) Es gibt keine Zeugen.
(11) Die Schäden am Mercedes sind hoch, berühren aber nicht wesentliche Fahrzeugteile (vgl. das Gutachten Bl. 7 f. d.A. sowie die Fotos Bl. 33 f. d.A. - sie betreffen primär den linken hinteren äußeren Fahrzeugbereich).
(12) Es wird auf Gutachtenbasis abgerechnet (Bl. 3 d.A.).
(13) Der Fahrzeugeigentümer (Kläger), zu dessen Vorteil der Unfall gestellt wurde, und der Fahrzeugfahrer (Zeuge K.) kennen sich gut (der Zeuge K. ist der Schwager de...