Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung: Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bei bestehender Sicherung der Gläubigerforderung durch erstrangige Grundpfandrechte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt nicht vor, wenn gem. § 144 Abs. 1 InsO die Forderung des Anfechtungsgegners nach Gewährung der angefochtenen Leistung wieder aufleben und alle mit der Forderung verbundenen Sicherungsrechte wieder in Kraft treten würden.

2. Eine Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners scheidet aus, wenn der Gläubiger von einer umfassenden, insolvenzfesten Sicherung seiner gesamten Forderung ausgehen darf. Dies ist dann der Fall, wenn die Forderung bei einem werthaltigen Grundstück durch erstrangige Grundschuld in voller Höhe abgesichert ist.

3. Eine Insolvenzanfechtung ist ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzverwalter zunächst den Anfechtungsgegner zum Verzicht auf insolvenzfeste Rechte, nämlich Absonderungsrechte aus Grundschulden gegen Begleichung von Restforderungen bewegt und anschließend Anfechtungsrechte geltend macht.

 

Normenkette

InsO §§ 129, 133 Abs. 1, §§ 143, 144 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 17.01.2012; Aktenzeichen 20 O 150/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.1.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des LG Hannover aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der "K.-M.-S. V.- und V. mit beschränkter Haftung und Co Beteiligungs-KG" gegenüber der Beklagten Insolvenzanfechtungsansprüche geltend. Zum Zwecke der Finanzierung zweier Bauvorhaben in B.,... und B ... gewährte die Beklagte der Schuldnerin Darlehen i.H.v. insgesamt ca. 4,8 Millionen DM. Die Schuldnerin bewilligte der Beklagten zur Sicherung der Darlehen erstrangige Grundschulden zu Lasten des Grundstücks ... i.H.v. 1,6 Millionen DM und zu Lasten des Grundstücks ... i.H.v. 3,1 Millionen DM. Des Weiteren wurden die Darlehen durch Bürgschaften des Landes B. i.H.v. 835.000 DM und 1,22 Millionen DM abgesichert. Die Bauvorhaben dienten der Errichtung von Mietwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau. Hierzu bewilligte die W.-K. B. der Schuldnerin Aufwendungszuschüsse zum Zwecke des Abbaus bewilligter Aufwendungsdarlehen seit dem Jahr 1978. Ab dem Jahr 1994 wurden diese Zuschüsse von der I. B. (im Folgenden: I.) bewilligt. Die Schuldnerin hatte seit Mitte/Ende der 90-er Jahre auf Grund Leerstandes ihrer Wohnungen Mietausfälle zu verzeichnen. Unter dem 10.03./18.3.2000 schlossen die Schuldnerin und die Beklagte im Wege der Umschuldung einen neuen Darlehensvertrag über einen Betrag von 828.471 DM. Auf die von der Schuldnerin zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen wurde im Zeitraum vom 15.2.2004 bis zum 15.8.2008 ein Betrag i.H.v. 143.683,92 EUR gezahlt. Diese Beträge wurden der Beklagten durch die I. im Rahmen des Wohnungsförderungsprogramms überwiesen. Eigene Leistungen erbrachte die Schuldnerin im Zeitraum vom 2.2.2005 bis zum 12.12.2005 i.H.v. 18.000 EUR, so dass vom 15.2.2004 bis zum 12.12.2005 Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. 161.683,92 EUR an die Beklagte gezahlt wurden. Nachdem die Schuldnerin ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht in ausreichendem Maße nachgekommen war, kündigte die Beklagte die Geschäftsbeziehung zum 1.6.2006. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine Darlehensschuld i.H.v. 247.066,84 EUR. Die Schuldnerin stellte unter dem 6.10.2006 einen Insolvenzantrag. Daraufhin wurde unter dem 12.10.2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und das Insolvenzverfahren am 1.1.2007 eröffnet. Die Beklagte meldete Forderungen i.H.v. 247.506,95 EUR und i.H.v. 8.224 EUR zur Insolvenztabelle an. Mit Schreiben vom 16.7.2007 übersandte die Beklagte dem Kläger eine aktuelle Forderungsberechnung mit einem Saldo i.H.v. 265.414,06 EUR und teilte mit, Löschungsbewilligungen für die zu ihren Gunsten eingetragenen Grundpfandrechte zu erteilen, wenn die Gesamtforderung aus dem Verwertungserlös der Grundstücke vollständig ausgeglichen werde. Der Kläger veräußerte sodann die Grundstücke der Schuldnerin und erzielte Erlöse i.H.v. 715.000 EUR und 850.000 EUR. Die zu diesem Zeitpunkt ausstehende Forderung der Beklagten wurde vollständig ausgeglichen; im Übrigen wurde der Verwertungserlös an die nachrangige Grundpfandrechtsgläubigerin - I. - ausgekehrt.

Der Kläger hat die im Zeitraum vom 15.2.2004 bis zum 12.12.2005 geleisteten Darlehensrückzahlungen i.H.v. 161.683,92 EUR angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, bei diesen Zahlungen handele es ...

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