Leitsatz (amtlich)
Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger muss grundsätzlich über die erforderliche Fachkunde auf dem Gebiet gerade der zu beantwortenden Beweisfrage verfügen. Stammt ein Gutachten daher nicht von einem Sachverständigen, der zu einer entsprechend fachkundigen Beurteilung in der Lage ist, mangelt es dem darauf gestützten Urteil an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage, so dass es der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt.
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 31.05.2016; Aktenzeichen 4 O 110/13) |
Tenor
I. Aufdie Berufung der Beklagten wird das am 31.05.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Stade - 4 O 110/13 - aufgehoben, soweit die Widerklage abgewiesen worden ist, und der Rechtsstreit insofern zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Stade. zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte begehrt von der Klägerin im Wege der Widerklage Vergütung für Statikerleistungen.
Ursprünglich hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Werklohn für Arbeiten im Rahmen einer Badsanierung in einem Gebäude in Cuxhaven in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage rechtskräftig abgewiesen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit allein der widerklagend geltend gemachte Anspruch der Beklagten, den das LG ebenfalls verneint hat. Dem liegt Folgendes zugrunde:
Für die Statik eines Bauprojekts der Klägerin in Luxemburg betreffende Planungsleistungen hat die Beklagte der Klägerin mit Rechnung vom 24.09.2013 (Anlage B 19a, hinterer Aktendeckel Bd. II) einen Bruttobetrag von EUR 35.184,80 und mit korrigierter Rechnung vom 30.09.2013 (Anlage B 19b, hinterer Aktendeckel Bd. II) einen Bruttobetrag in Höhe von EUR 33.268,30 in Rechnung gestellt, der den Widerklageantrag bildet (vgl. Schriftsatz vom 07.10.2013, Bl. 94 f.). Zahlung hat die Klägerin nicht geleistet, sondern behauptet, ihr Gerant (Geschäftsführer) als Privatperson und nicht sie als Gesellschaft sei Auftraggeber der Leistungen gewesen, für die im Übrigen eine Pauschale in Höhe von EUR 10.000,- vereinbart worden sei (Schriftsatz vom 05.11.2013, Bl. 104). Zudem sei der Auftrag berechtigt gekündigt worden, weil sich herausgestellt habe, dass die Beklagte nicht über eine Zulassung als Statikerin in Luxemburg verfüge, weshalb eine von ihr erstellte Statik unbrauchbar gewesen wäre. Schließlich habe die Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt statische Unterlagen, Zeichnungen oder Berechnungen vorgelegt (Replik vom 25.06.2013, Bl. 56). Dazu behauptet die Beklagte, eine Fertigstellung ihrer Berechnungen sei nicht möglich gewesen, weil die Klägerin dafür erforderliche Unterlagen nicht mehr zur Verfügung gestellt habe.
Das LG hat durch Vernehmung zweier Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2014 (Bl. 163) Beweis u.a. zur Frage des Vertragsschlusses zwischen den Parteien erhoben und sodann ein Sachverständigengutachten zur Frage der Verwertbarkeit der Leistungen der Beklagten für die Klägerin eingeholt. Dieses Gutachten (hinterer Aktendeckel Bd. 11), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, gelangt zu dem Ergebnis, dass für die Erbringung von Statikerleistungenin Luxemburg die Eintragung in eine von der Architektenkammer in Luxemburg (L'Ordre des Architectes et des Ingenieurs-Conseils de Luxembourg, abgekürzt OAI) geführte Mitgliederliste Voraussetzung ist, über die die Beklagte nicht verfügt.
Gestützt auf diese Ausführungen des Gutachters hat das LG sodann die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, dass von der Beklagten erbrachte Leistungen. für die Klägerin jedenfalls mangels Zulassung der Beklagten in Luxemburg nicht verwertbar waren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Diese Entscheidung stellt die Beklagte mit ihrer Berufung zur Überprüfung durch den Senat. Sie verweist auf die in Niedersachsen bestehende Rechtslage, derzufolge in einem Mitgliedsland der Europäischen Union rechtmäßig niedergelassene Tragwerksplaner, die im Inland weder einen Wohnsitz noch eine berufliche Niederlassung haben, auch in Niedersachsen jedenfalls vorübergehend und gelegentlich Leistungen als Tragwerksplanererbringen dürfen (§§ 65 Abs. 5, 53 Abs. 4 Satz 1 NBauO). Hierzu behauptet sie, die entsprechende Vorschrift resultiere aus der Umsetzung einer europäischen Richtlinie, so dass die Rechtslage in Luxemburg identisch sei und sie, was das LG und der von ihm beauftragte Sachverständige übersehen hätten, aus diesem Grunde jedenfalls zur gelegentlichen Erbringung von Statikerleistungen auch in Luxemburg berechtigt sei. Aus diesem Grund seien ihre für die Klägerin erbrachten Leistungen sehr wohl verwendbar gewesen. Da über die Höhe des der Beklagten somit zustehenden Anspruchs noch nicht entschieden werden könne, sei der Rechtsstreit zwecks weiterer Beweisaufnahme an das LG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, das U...