Leitsatz (amtlich)

1. An die Annahme eines Anerkenntnisses sind hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere wenn öffentliche Auftraggeber an einem Rechtsverhältnis beteiligt sind. Diensstellen der öffentlichen Hand wollen in aller Regel keine rechtsgeschäftlichen Schuldanerkenntnisse abgeben.

2. Eine Anordnung iSd. § 2 Nr. 5 VOB/B (2002) kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn der diese vermeintlich aussprechende Auftraggeber auch mit dem Bewusstsein handelt, überhaupt eine rechtlich verbindliche Erklärung abzugeben.

3. Für die Annahme einer Anordnung ist nur dann Raum, wenn dadurch eine Leistungsänderung eintritt, sich also das Bausoll verändert, weil beider Vertragspartner ihrer Preisvereinbarung erkennbar eine andere Vertragsleistung zugrunde gelegt haben, als sie später ausgeführt wurde. Daran fehlt es, wenn eine bestimmte Art und Weise der Herstellung des versprochenen Werks nicht vertraglich vereinbart wurde, sondern nur, ohne Fixierung der näheren Einzelheiten zur Durchführung, ein bestimmter Erfolg versprochen wird.

4. Eine Pflicht des Bieters im Ausschreibungs- und Angebotsstadium, die aussschreibende Stelle auf im Leistungsverzeichnis enthaltene Fehler hinzuweisen, besteht grundsätzlich nicht, weil der Bieter die Prüfung der Verdingungsunterlagen nur unter kalkulatorischen Aspekten vornimmt. Allerdings folgt aus dem Grundsatz des Gebots zu korrektem Verhalten bei Vertragsverhandlungen dann eine Prüfungs- und Hinweispflicht des Auftragnehmers, wenn die Verdingungsunterlagen offensichtlich falsch sind.

5. Eine unverhältnismäßig hohe Zuvielforderung kann den zur Recht angemahnten Teil eines in Rechnung gestellten Betrages so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht und daher nicht leistet (hier: berechtiger Forderungsteil 2,9 % des geltend gemachten Anspruchs).

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 09.10.2015; Aktenzeichen 16 O 69/08)

 

Tenor

I. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 09.10.2015 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Hannover - 16 O 69/08 - abgeändert und zu Ziffer 1 seines Tenors wie folgt neu gefasst:

"Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 256.095,19 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2008 zu zahlen."

II. Die Berufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das angefochtene Urteil des LG Hannover und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht restliche Werklohnansprüche für Bauleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines etwa 7 km langen Teilstücks der BAB 38 zwischen Friedland im Westen (Baukilometer 14+779) und dem Voreinschnitt zum Heidkopftunnel im Osten (Baukilometer 21+212) geltend. Mit ihrer Anschlussberufung wendet sich die Beklagte gegen die Verzinsung des der Klägerin erstinstanzlich zuerkannten Bruchteils ihrer Forderung.

1. Auf ihr am 28.05.2003 als Bietergemeinschaft abgegebenes Angebot erhielt die Klägerin am 16.09.2003 den Zuschlag. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Ausweislich der Baubeschreibung (K 3, Anlagenband I, Bl. 5 [im Folgenden: AB I 5]) war die Neubaustrecke in umgekehrter Stationierungsrichtung, d.h. bei Baukilometer 21+212 (Voreinschnitt Heidkopftunnel) beginnend von Ost nach West, weitgehend in Dammlage herzustellen. Neben den Dammstrecken waren drei Einschnittstrecken zu realisieren, von denen eine im Bereich des Voreinschnitts zum Heidkopftunnel lag und sich zwei weitere im westlichen Bereich des Bauabschnitts im Bereich des Hagenbergs (Baukilometer 14+780 bis 15+200 direkt am Mahnmal Friedland) und der Unterquerung der L 566 (Baukilometer 18+260 bis 18+600) befanden. Auf die als Anlagen K 4 und K 4a vorgelegten Übersichtspläne wird verwiesen.

Vorgesehen war als Baumaterial für die Dammstrecken die Aushubmassen aus den Einschnittstrecken sowie zusätzlich die auf Deponieflächen gelagerten Abtragsmassen aus dem Tunnelvorfeld sowie dem Heidkopftunnel selbst zu verwenden. Dazu heißt es auf Seite 4 der Baubeschreibung.(K 3, AB I 5):

"Die Abtragungsmassen aus den Einschnittslagen Hagen und L 566 sowie einigen kleineren Anschnittslagen sind in unmittelbarem Umfeld der Entnahmestellen einzubauen. Die Abtragsmassen aus dem Bereich des Heidkopftunnels einschließlich des Voreinschnitts sind "vor Kopf' über die Trasse einzubauen, so dass der Bau westlich des Voreinschnitts des Heidkopftunnels mit Vortrieb in westlicher Richtung beginnen muss."

Es ergabe...

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