Leitsatz (amtlich)
Rechtsgrundlage für eine Videoaufzeichnung im Straßenverkehr kann § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG sein, wenn die Aufzeichnung anlassbezogen und lediglich zur Identifizierung des Betroffenen als Verdächtigen erfolgte. Etwas anderes gilt, wenn der Messbeamte die Videoaufzeichnung ununterbrochen durchlaufen lässt, so dass auch eine Vielzahl von sich verkehrsgerecht verhaltenden Fahrern erfasst würde, um dann diejenigen herauszufiltern, die verdächtig sind, eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Meissen vom 02. Oktober 2009 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Meißen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Meißen hat den Betroffenen mit gemäß § 72 OWiG ergangenem Beschluss vom 02. Oktober 2009 freigesprochen und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt. zur 2 Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit dem Betroffenen nicht nachzuweisen sei. Er habe keine Angaben zur Sache gemacht und auch die Fahrereigenschaft nicht zugestanden. Eine Verwertung des Tatvideos sei nicht in Betracht gekommen; es bestehe ein Beweisverwertungsverbot, da es ohne geeignete Rechtsgrundlage gefertigt worden sei (Beweiserhebungsverbot) und somit einen ungerechtfertigten Eingriff in das Verfassungsrang besitzende Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen darstelle.
Gegen diesen, der Staatsanwaltschaft Dresden gemäß .§ 41 StPO i.V.m. § 46 OWiG am 05. Oktober 2009 zugestellten, Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Dresden am 09. Oktober 2009, beim Amtsgericht Meißen am gleichen Tag eingegangen.
Der Betroffene hat sich zum Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft Dresden nicht geäußert.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Meißen vom 02. Oktober 2009 einschließlich der tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an die gleiche Abteilung des Amtsgerichts Meißen zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige und gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat auf die Sachrüge hin - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im vollen Umfang sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses sind lückenhaft und ermöglichen dem Senat nicht die Prüfung, ob der Freispruch des Betroffenen zu Recht erfolgt ist. Wird der Betroffene freigesprochen, so müssen gemäß § 27 Abs. 5 StPO i.V.m. § 46 OWiG die Urteilsgründe ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt oder ob und aus welchen ,Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht ordnungswidrig erachtet worden ist. Hierzu ist erforderlich, dass zunächst der Tatvorwurf in den Urteilsgründen aufgezeigt (BGHSt 37, 21 22) und sodann der festgestellte Sachverhalt dargelegt wird (BGH, NJW 1980, 2423; NStZ 1990, 448; 1991, 596; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 267 Rdnr. 33). Erst im Anschluss daran folgt dann die entscheidende Beweiswürdigung, wobei die gegen den Betroffenen sprechenden Umstände zu erörtern sind (BGH, MDR 1978, 2811.
Das Urteil des Amtsgerichts stellt weder den Tatvorwurf noch den Sachverhalt dar. Insbesondere wird die Anwendung des Messverfahrens im konkreten Fall nicht mitgeteilt. Diese Angaben sind für eine Überprüfung des Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht unverzichtbar und ihr Fehlen führt bereits deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass bei der durchgeführten Verkehrsüberwachung das System VKS 3.01 der Firma VIDIT verwendet wurde. Im Grundsatz zu Recht geht das Amtsgericht hierbei unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (2 BvR 941/08) davon aus, dass die mittels einer Videoaufzeichnung vorgenommene Geschwindigkeitsmessung eine Erhebung von Daten über persönliche Lebenssachverhalte, über deren Offenbarung der einzelne grundsätzlich selbst zu entscheiden hat, und damit einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt.
Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden, wobei eine solche Einschränkung einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen und verhältnismäßig sein muss. Hierbei müssen Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Als Rechtsgrundlage für einen derartigen Ein...