Leitsatz (amtlich)
›1. Bei der Abstandsmessung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS, Softwareversion 3.01 des Herstellers VIDIT handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
2. Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, dem eine Abstandsmessung mit diesem Gerät zugrunde liegt, muss der Tatrichter in den Urteilsgründen zur Messung grundsätzlich nur das angewendete Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit nebst Toleranzabzug sowie den ermittelten vorwerfbaren Abstandswert feststellen.
3. Sicherheitsabschläge von dem festgestellten vorwerfbaren Abstandswert sind nicht generell veranlasst.
4. Ausführungen zur Ordnungsgemäßheit des Messverfahrens muss der Tatrichter in den Urteilsgründen nur dann machen, wenn entweder konkrete Anhalspunkte für einen Messfehler vorliegen oder ein solcher von dem Betroffenen oder einem anderen Verfahrensbeteiligten behauptet werden.‹
Verfahrensgang
AG Riesa (Entscheidung vom 22.06.2004; Aktenzeichen 7 OWi 165 Js 21566/04) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger Verletzung der Vorschriften über den Abstand nach § 4 StVO" zu einer Geldbuße von 40,00 EUR verurteilt.
Nach den Feststellungen des Gerichts befuhr der Betroffene am 25. September 2003 mit einem Pkw die Bundesautobahn 13 in Fahrtrichtung Dresden ab Kilometer 130,0 auf der linken Fahrspur. 300 Meter weiter fuhr er in einen 111 Meter langen Messbereich ein, in dem eine Abstandsmessung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS, Softwareversion 3.01 des Herstellers VIDIT (im Folgenden: VKS 3.01) durchgeführt wurde. Die erste Messung wurde vier Meter nach Einfahren in den Messbereich durchgeführt und ergab einen Abstand zwischen der Vorderachse des Fahrzeugs des Betroffenen und der Vorderachse des vorausfahrenden Fahrzeugs von 26,3 Metern. Die zweite Messung wurde 29,2 Meter vor dem Ende des Messbereichs durchgeführt; hier betrug der Abstand zwischen den Vorderachsen der beiden Fahrzeuge 24,7 Meter. Die Länge des vorausfahrenden Fahrzeugs hat das Amtsgericht mit 2,3 Metern festgestellt und daraus einen tatsächlichen Abstand der Fahrzeuge von 24 Metern und 22,4 Metern errechnet. Die Entfernung zwischen den beiden Messpunkten legte der Betroffene in einer Zeit von 2,2 Sekunden, mithin mit einer Geschwindigkeit von 117 km/h zurück. Von diesem Wert hat das Gericht einen Toleranzabzug von 4 km/h vorgenommen und dem Betroffenen eine Unterschreitung des Abstandes von fünf Zehnteln des halben Tachowertes vorgeworfen.
Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung angestrebt wird. Mit der Sachrüge wird insbesondere angegriffen, dass das Gericht keine weiteren Sicherheitsabschläge von 10 bis 15% zu Gunsten des Betroffenen vorgenommen habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen, weil die Frage eines Toleranzabzuges bei Geschwindigkeitsmessungen durch standardisierte Messverfahren bereits entschieden sei.
II.
Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Senat für Bußgeldsachen - Der Einzelrichter - die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen; der Senat entscheidet über die Rechtsbeschwerde nunmehr in der Besetzung mit drei Richtern.
Die Frage, welche Anforderungen an ein tatrichterliches Urteil zu stellen sind, mit dem der Betroffene aufgrund einer Messung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS 3.01 zu einer Geldbuße verurteilt wird, ist - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen gewesen.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung gemäß § 24 StVG, §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 1 BKatV, Nr. 12.5. BKat in Verbindung mit Tabelle 2 lfd. Nr. 12.5.1 sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht.
1. Die Abstandsmessung mit dem Verfahren VKS 3.01 ist ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321). Danach muss die Messung nicht in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfinden. Vielmehr ist unter dem Begriff des standardisierten Messverfahrens ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321).
a) Das von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eichung zugelassene Gerät VKS 3.01 ermöglicht es, aus einer Videoaufzeichnung Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und deren Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen zu bestimmen. Während der Messung werden in der Regel mindestens zwei Videoaufzeichnungen vorgenommen. Mit der Tatvideoaufzeichnun...