Leitsatz (amtlich)

Kann der Versicherungsnehmer den Beweis des "äußeren Bildes" durch Zeugen führen, kommt es auf seine eigene Redlichkeit nicht an. Sind keine Zeugen vorhanden, ist die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers entscheidend.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2607/18)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.08.2022 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 45.200,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer Kaskoversicherung wegen eines behaupteten Diebstahls seines Pkw Audi A6 Quattro.

Zwischen den Parteien besteht für das in Rede stehende Auto eine Pkw-Haftpflichtversicherung unter Einschluss einer Kaskoversicherung. Der Kläger hat das Fahrzeug von dem Zeugen S... im Mai 2017 erworben. Im Kaufvertrag wird der abgelesene Kilometerstand mit 10.200, die Erstzulassung am 27.10.2014 und der Kaufpreis mit 45.500,00 EUR angegeben. Der Kläger hat am Nachmittag des 03.12.2017 Strafanzeige wegen des Diebstahles seines Fahrzeuges bei der Polizei erstattet. Im April 2018 wurde das Fahrzeug in vollständig demontierten Zustand bei K... in Polen wieder aufgefunden. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.05.2018 ihre Eintrittspflicht ab.

Der Kläger hat behauptet, er habe am späten Abend des 02.12.2017 das Fahrzeug gemeinsam mit dem Zeugen B... im ...weg in L... abgestellt. Den Zeugen B... habe er mitgenommen, weil dessen Fahrrad beschädigt gewesen sei. Am 03.12.2017 habe ihn ein in Halle wohnender Bekannter - Herr K... - angerufen und ihm mitgeteilt, dass er dessen auffälliges Fahrzeug nicht in unmittelbarer Nähe vor dessen Wohnhaus - ... × in L... - vorgefunden habe. Dies habe der Kläger zum Anlass genommen, nach seinem Fahrzeug zu sehen, das er an dem Abstellort im ...weg nicht mehr vorgefunden habe.

Die Beklagte hat die Entwendung bestritten und fehlerhafte Angaben des Klägers zur Kilometerleistung des Fahrzeuges gerügt. Im Übrigen meint die Beklagte, dass Bedenken am Hergang des Kaufvertragsabschlusses bestehen, da der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen könne, woher er als Bühnentechniker im Theater L... das Geld für die Anschaffung des Fahrzeuges gehabt habe.

Das Landgericht hat die Zeugen B... und S... gehört und die Klage mit Urteil vom 30.11.2021 abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass das äußere Bild eines Diebstahles nicht bewiesen sei. Er habe sowohl für das Abstellen des Fahrzeuges am 02.12.2017 sowie für das Nichtwiederauffinden Zeugen benannt. Darüber hinaus sei das Auffinden des Fahrzeuges in Polen ein Beweis für den Diebstahl. Diesbezüglich hätte die Verfahrensakte der polnischen Polizei beigezogen werden müssen. Das Landgericht habe des Weiteren die Glaubwürdigkeit des Zeugen B... fehlerhaft verneint. Es habe Mutmaßungen angestellt, soweit es angenommen habe, der Zeuge B... hätte von dem Abstellort des Fahrzeuges sein Fahrrad zu Fuß 10 bis 15 Minuten tragen müssen. Davon habe der Zeuge nichts berichtet. Zudem seien zum Zeitpunkt seiner Einvernahme bereits vier Jahre vergangen, weshalb sich der Zeuge nachvollziehbar nicht an Einzelheiten erinnern könne.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht den Zeugen B... für unglaubwürdig gehalten, denn der von ihm geschilderte Sachverhalt sei konstruiert und wenig plausibel. Im Übrigen sei auffallend, dass die Handschrift in den schriftlichen Aussagen des Zeugen B... und des Klägers gleich sei. Die Laufleistungsangaben des Klägers seien schon deshalb falsch, weil es sich bei dem Pkw um einen "Rechtslenker" mit Erstzulassung in Großbritannien handele und daher die Laufleistung in Meilen angezeigt werde.

II. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der Kaskoversicherung vom 30.05.2017 zu. Dem Kläger ist der Beweis für einen bedingungsgemäßen Diebstahl des Fahrzeuges nicht gelungen.

Beim Fahrzeugdiebstahl kommen dem Kläger Beweiserleichterungen zugute. Er muss den Beweis für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung erbringen. Der Beweis für das äußere Bild ist erbracht, wenn ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen, bewiesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2002 - IV ZR 263/00 - juris; vgl. Senat, Urteil vom 04.09.2018 - 4 U 427/18 - juris). Dieses Mindestmaß wird in der Regel erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug vom Versicherungsnehmer an einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit abgestellt, dort aber nicht wieder aufgefunden worden ist (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. Senat a.a.O.). Für das äuß...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?