Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt einen Aufklärungsmangel dar, einen Morbus Sudeck als vegetative Reizerscheinung zu verharmlosen.
2. Ein echter Entscheidungskonflikt des Patienten, der die Berufung des Arztes auf eine hypothetische Einwilligung ausschließt, kann dann ausscheiden, wenn der Patient sich mehreren vorausgegangenen Eingriffen unterzogen hat, bei denen er über vergleichbare Risiken aufgeklärt worden war.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 5 O 150/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 22.10.2019, 10.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Der Antrag der Klägerin, ihr ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens zu bewilligen, wird ablehnt.
5. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 60.500,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer behaupteten Fehlbehandlung und unzureichenden Aufklärung auf die Zahlung von Schmerzensgeld (Einmalzahlung zuzüglich lebenslanger Geldrente) nebst außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch. Die zum Zeitpunkt der Behandlung 34-jährige Klägerin begab sich wegen persistierender Schmerzen am rechten Knie, an dem sie bereits zuvor im Jahre 2009 und im Juni 2010 Arthroskopien hatte durchführen lassen, im Juli 2010 in die Praxis des Beklagten, der ihr eine weitere Arthroskopie des Knies empfahl. Nach Durchführung derselben am 21.07.2010 traten bei der Klägerin zunehmende Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auf, die später als Morbus Sudeck identifiziert wurden. Die Klägerin erhält Pflegeleistungen des Pflegegrades II und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Es besteht derzeit keine Aussicht auf Besserung oder Heilung.
Nachdem die Klägerin erstinstanzlich sowohl die Durchführung der Arthroskopie als solche mangels Indikation, als auch die Nachbehandlung durch Anlegen eines Gipsverbandes als grob behandlungsfehlerhaft angesehen und die Aufklärungsrüge erhoben hatte, hat das Landgericht ein Sachverständigengutachten zu den einzelnen Behandlungsfehlerverwürfen eingeholt, den Ehemann der Klägerin als Zeugen vernommen und sowohl die Klägerin als auch den Beklagten persönlich angehört.
In der Folge hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand, und wegen der Begründung für die Klageabweisung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel vollumfänglich weiter. Allerdings beschränkt sie ihre Berufungsangriffe auf die aus ihrer Sicht fehlerhafte Verneinung eines plausiblen Entscheidungskonfliktes der Klägerin im Hinblick auf die Behandlungsalternative einer konservativen stationären Behandlung und auf die Tatsachenfeststellung durch das Erstgericht, es sei ungewiss, ob eine stationäre Ruhigstellung des Beines überhaupt Erfolg hätte haben können. Sie wiederholt und vertieft vor diesem Hintergrund ihre Ausführungen zur Plausibilität ihres behaupteten Entscheidungskonfliktes und beantragt,
das Urteil des Landgerichts Görlitz - Außenkammern Bautzen - ohne Datum, Az.: 5-O-150/16, abzuändern und wie von der Berufungsklägerin in der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz beantragt, zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft seine Ausführungen zum aus seiner Sicht fehlenden plausiblen Entscheidungskonflikt insbesondere unter Hinweis auf die kläger- wie beklagtenseits vorgelegten Nachbehandlungsunterlagen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Das Landgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, dass dem Beklagten ein Aufklärungsfehler sowohl im Hinblick auf die unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen - hier die konservative Behandlung unter stationären Bedingungen - unterlaufen ist, als auch ein Fehler bei der Risikoaufklärung, indem der Beklagte mit der Erkrankung eines Morbus Sudeck einhergehende Beeinträchtigungen verharmlosend dargestellt hat ("vegetative Reizerscheinung").
2. Der nach den Feststellungen des Landgerichts behandlungsfehlerfreie Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, weil der von der Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung durchgreif...