Leitsatz (amtlich)

In einem Aufklärungsgespräch bedarf es keiner exakten medizinischen Beschreibung der drohenden Risiken. Die möglichen Komplikationen können umgangssprachlich beschrieben werden und dabei gegebenenfalls mehrere medizinisch auseinander zu haltende Krankheitsbilder, die sich gleichförmig äußern, umschreiben.

Die Häufigkeitsangaben zum Auftreten von Komplikationen in ärztlichen Aufklärungsgesprächen müssen sich nicht an den für Medikamentenbeipackzettel geltenden Häufigkeitsdefinitionen orientieren.

Die Häufigkeitsangabe "in Ausnahmefällen" im Aufklärungsbogen stellt keine Verharmlosung dar, wenn der Sachverständige die Häufigkeit eines CRPS bei einer Arthroskopie am Knie nicht konkret bezeichnen und nur schätzen kann und dabei eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent annimmt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 421/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 30. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit der Durchführung von Arthroskopien am Knie.

Nach einem Wochen zuvor beim Training für einen Showtanz erlittenen Sturz stellte sich die Klägerin am 19. August 2009 in der Praxis des Beklagten mit Kniebeschwerden linksseitig vor. Die Behandlung erfolgte durch einen Kollegen des Beklagten, der die Verdachtsdiagnose eines Plica-Syndroms links oder eines Innenmeniskushinterrisses links stellte und eine MRT-Untersuchung anriet. Der radiologische Befundbericht zur daraufhin durchgeführten MRT-Untersuchung zeigte eine Knochenkontusion und eine kleine Plica mediopatellaris (Falte der Gelenkschleimhaut); ein Innenmeniskushinterriss wurde ausgeschlossen. Daraufhin leitete der Kollege des Beklagten eine konservative Schmerztherapie ein und verordnete Ibuprofen 400 sowie Magnetfeldtherapien.

Am 11. September 2009 suchte die Klägerin erneut die Praxis des Beklagten auf. Diesem persönlich teilte sie mit, weiterhin unter Schmerzen und einem Fremdkörpergefühl im Knie zu leiden. Der Beklagte schlug eine Arthroskopie vor, die am 17. September 2009 durchgeführt wurde. Dabei erfolgte eine arthroskopische Teil-Synovektomie und eine Teilresektion der Plica mediopatellaris. Zu der Nachbehandlung verordnete der Beklagte u.a. manuelle Lymphdrainage und Krankengymnastik.

Auch postoperativ litt die Klägerin unter Schmerzen im linken Knie sowie einer Einschränkung der Beugungsfähigkeit. Bei der erneuten Vorstellung am 7. Oktober 2009 schlug der Beklagte daher eine Re-Arthroskopie vor, die am 15. Oktober 2009 erfolgte. Hierbei kam es erneut zu einer Teil-Synovektomie und einer Resektion der Plica mediopatellaris mit Lösung von Verklebungen.

Im weiteren Verlauf verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin. Eine Entzündung der Patellasehne wurde mit Kortisonspritzen behandelt und im Februar 2010 stellte sich die Klägerin in einer Privatklinik in M. zur weiteren Behandlung vor. Dort kam es am 31. Mai 2010 zu einer erneuten Arthroskopie am linken Knie.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines in das gerichtliche Ermessen gestellten Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 25.000,- EUR, materiellen Schadensersatz in Höhe von 10.444,71 EUR, die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 3.483,73 EUR sowie die Feststellung der Einstandspflicht für sämtliche weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden gerichteten Begehrens vorgetragen, die Arthroskopie am 17. September 2009 sei nicht fachgerecht durchgeführt worden. Dies zeige sich bereits daran, dass es zu Verklebungen und Knorpelschäden im operierten Gelenk gekommen sei. Zudem sei die Arthroskopie nicht zeitgerecht erfolgt, da erst nach dem Abklingen des Reizzustandes am Gelenk (Synovitis) eine Arthroskopie habe durchgeführt werden dürfen. Postoperativ sei eine frühzeitige Krankengymnastik zur Mobilisierung des Kniegelenks erforderlich gewesen. Auf diese Fehler sei die zweite Arthroskopie zurückzuführen. Die gegebene Innenmeniskusläsion habe der Beklagte überhaupt nicht behandelt. Schließlich fehle es an einer hinreichenden Aufklärung. Mögliche Komplikationen und Behandlungsalternativen seien nicht näher beschrieben worden. Bei der erforderlichen Aufklärung über konservative Behandlungsmöglichkeiten hätte sie eine Zweitmeinung eingeholt.

Der Beklagte hat dem entgegengehalten, eine Innenmeniskusläsion oder eine Innenmeniskushinterriss habe nicht vorgelegen. Die eingetretenen Verklebungen seien nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Üb...

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