Leitsatz (amtlich)
Die bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung und in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) sind separate Anrechte, die im Rahmen der Wertfestsetzung nach § 50 Abs. 1 FamGKG gesondert zu berücksichtigen sind.
Verfahrensgang
AG Borna (Beschluss vom 04.02.2014; Aktenzeichen 1 F 94/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Borna vom 4.2.2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Ehescheidungsverfahrens wird auf 25.200 EUR (Ehescheidung 16.800 EURund Versorgungsausgleich 8.400 EUR) festgesetzt.
Gründe
I. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 30.1.2014 die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt, indem es die Anrechte des Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung (Entgeltpunkte und Entgeltpunkte (Ost)), die beiden betrieblichen Anrechte des Antragstellers bei der Gothaer Pensionskasse AG und bei der Deutschen Lufthansa AG sowie die Beamtenversorgung der Antragsgegnerin ausgeglichen hat.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Verfahrenswert für das Ehescheidungsverfahren auf 21.840 EUR festgesetzt, wobei es den Wert für die Ehescheidung mit (3.400 EUR + 2.200 EUR × 3 =) 16.800 EUR und den Wert für das Versorgungsausgleichsverfahren mit (16.800 EUR × 10 Prozent × 3 =) 5040 EUR bemessen hat.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt mit der Begründung, Rentenanrechte Ost und West stellten verschiedene Anrechte dar.
II. Die gem. § 32 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht erhobene Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist gem. § 59 Abs. 1 FamGKG zulässig und begründet.
Gemäß § 50 Abs. 1 FamGKG beträgt in Versorgungsausgleichssachen der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, mindestens 1.000 EUR. Das dreifache Nettoeinkommen der beteiligten Ehegatten beläuft sich unstreitig auf 16.800 EUR; 10 Prozent hiervon sind 1.680 EUR. Für die Bemessung des Wertes des Versorgungsausgleichsverfahrens sind die beiden Anrechte des Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung, die beiden betrieblichen Anrechte des Antragstellers und die Beamtenversorgung der Antragsgegnerin, insgesamt also fünf Anrechte maßgebend. Es errechnet sich somit für das Versorgungsausgleichsverfahren ein Verfahrenswert von (5 × 1.680 EUR =) 8.400 EUR.
Der Senat teilt nicht die vom 5. Senat des OLG Brandenburg in dem - vom Familiengericht zitierten - Beschl. v. 10.1.2013 - 3 WF 132/12 - vertretene Auffassung, dass Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung und der allgemeinen Rentenversicherung (Ost), die ein Ehegatte bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, bei der Wertbemessung nach § 50 FamGKG nur als ein Anrecht zu behandeln sind (so auch OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 21.10.2011 - 10 UF 309/11; Keuter, FamRZ 2011, 1026).
Die "Ost- und Westanrechte" in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach § 120f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI Anrechte unterschiedlicher Art, die nicht miteinander verrechnet werden können und gesondert auszugleichen sind. Daher ist auch für jedes dieser Anrechte gem. § 50 Abs. 1 FamGKG ein Verfahrenswert von 10 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen (vgl. OLG Brandenburg, 3. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 12.1.2011 - 15 UF 136/10; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 21.5.2012 - 9 WF 152/12; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.10.2010 - 11 UF 1262/10; OLG Jena, Beschl. v. 29.7.2010 - 1 UF 179/10 und Beschl. v. 14.6.2010 - 1 WF 204/10; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.7.2010 - 15 WF 131/10; Hauß, FamRB 2010, 251, 257; Grabow, FamRB 2010, 93, 95). Dass diese unterschiedlichen Anrechte bei einem Versorgungsträger erworben wurden, dieser Versorgungsträger beide Anrechte in einer Auskunft erfasst, sich aus den Anrechten ein Anspruch auf eine einheitliche Rente ergibt und die Anrechte auch im Rahmen der Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 VersAusglG als eine Einheit betrachtet werden, ändert nichts daran, dass es sich nach § 120f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI um seperate Anrechte handelt, die jeweils einzeln geprüft und ausgeglichen werden müssen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob durch den Erwerb von "Ost- und Westanrechen" für die Gerichte und die Anwaltschaft ein nennenswerter zusätzlicher Prüfungsaufwand entsteht. Denn § 50 Abs. 1 FamGKG setzt für die Berücksichtigung eines Anrechts bei der Wertberechnung nicht einen bestimmten Prüfungsaufwand voraus, sondern sieht bei der Bestimmung des Verfahrenswertes eine schematische Berücksichtigung eines jeden verfahrensgegenständlichen Anrechts vor, selbst dann, wenn es im Ergebnis nicht zu einem Ausgleich im Wege einer internen oder externen Teilung des Anrechts kommt (BT-Drucks. 16/11903, 61).
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