Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer nur relativen Indikation einer Operation muss der Arzt über eine konservative Behandlung nur dann aufklären, wen diese eine echte Wahlmöglichkeit darstellt. Besteht im Falle einer Weiterführung der konservativen Behandlung das Risiko einer Amputation des betroffenen Gelenks, ist dies nicht der Fall.
2. Hat der Arzt die ständige Praxis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nachgewiesen und sprechen ausreichende Indizien dafür, dass es auch im konkreten Fall ein Aufklärungsgespräch gegeben hat, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Streitfall in der gebotenen Weise vorgenommen wurde.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 3026/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 23.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht für immaterielle und materielle Schäden wegen im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit der stationären Behandlung eines Fersenulcus links bei bestehendem diabetischen Fußsyndrom im Zeitraum vom 24.07.2013 bis 01.11.2013.
Wegen der Einzelheiten des Behandlungsablaufs wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die auf Behandlungs- und Aufklärungsfehlern gestützte Klage nach Anhörung der Klägerin und Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung sowie Einvernahme von Zeugen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche der Klägerin seien nicht begründet, da weder Behandlungs- noch Aufklärungsfehler bewiesen seien. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin ordnungsgemäß präoperativ aufgeklärt wurde. Zudem sei angesichts des bestehenden erheblichen Leidensdruckes und des Risikos einer Fußamputation von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin auszugehen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung rügt sie, entgegen der landgerichtlichen Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme sei sie durch den ihr unbekannten Zeugen Dr. C ... am 25.07.2013 nicht und durch die Zeugin Dr. P ... jedenfalls nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, da diese die Möglichkeit der konservativen Behandlungsalternative nicht angesprochen habe. Mit Schriftsatz vom 31.08.2020 rügt sie, die präoperative Risikoaufklärung sei ungenügend, da die Beklagte wegen des bekannten Diabetes gehalten gewesen wäre, sie besonders eingehend über die bestehenden prä- und postoperativen Risiken aufzuklären.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20.03.2020, Az 6 O 3026/17, abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000,- EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.12.2016 zu bezahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen nicht vorhersehbar immateriellen und materiellen Schaden aus ärztlicher Falschbehandlung und/oder Nachbehandlung im Zeitraum vom 24.07.2013 bis 01.11.2013 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Dritte übergegangen ist oder noch übergehen wird.
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.711,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zur Begründung nimmt der Senat auf den Hinweisbeschluss vom 10.08.2020 Bezug. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 31.08.2020 geäußerten Bedenken fest, die zu einer Abänderung keinen hinreichenden Anlass bieten.
Entgegen der Ansicht der Berufung war die Aufklärung der Klägerin über die Risiken des geplanten operativen Eingriffs nicht zu beanstanden. Eine Aufklärung ist nur im Großen und Ganzen geschuldet, medizinisches Detailwissen ist nicht zu vermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2019 - 4 U 1616/18 -, Rn. 17, juris...