Leitsatz (amtlich)
Allein die schlüssige Darlegung eines hirnorganischen Primärschadens (hier: mildes posttraumatische brain injury (mTBi) reicht für den Anspruch auf Leistungen aus einer Unfallversicherung nicht aus. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr zusätzlich mit dem Beweismaß des § 287 ZPO beweisen, dass dieser Primärschaden zu einer die Invalidität begründenden psychischen Reaktion geführt hat. Erst im Anschluss hieran muss der Versicherer die Voraussetzungen der "Psychoklausel" beweisen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1117/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.02.2019 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag geltend.
Zwischen der 1953 geborenen Klägerin und der Beklagten besteht ein Unfallversicherungsvertrag vom 17.02.2012. Dem Vertrag liegen u. a. die Versicherungsbedingungen zum XXX-Unfallschutz, Stand 01.10.2010, zugrunde.
Am 01.12.2013 stürzte die Klägerin von einer Bordsteinkante mit dem Gesicht voran auf die Straße. Ausweislich eines in der Chirurgischen Notaufnahme der Universitätsklinik D. erstellten Berichts zog sie sich durch den Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Prellungen des Gesichts, der linken Hand und des linken Knies sowie eine HWS-Distorsion zu. Im initial durchgeführten cCT und CT des Gesichtsschädels konnten knöcherne Schädelverletzungen bzw. intrakranielle Traumafolgen ausgeschlossen werden.
Eine von der Beklagten veranlasste gutachterliche Stellungnahme durch einen Neurologen vom 21.08.2014 ergab, dass bei der Klägerin bestehende neuropsychologische Funktionsbeeinträchtigungen nicht kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Unter dem 26.01.2015 übermittelte die Klägerin der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung über eine dauerhafte unfallbedingte Invalidität wegen einer Schädelprellung, einer prokontusionellen Enzephalopathie (F07.2), eines hirnorganischen Psychosyndroms (F06.9) und einem Schulterimpingementsyndrom. Ein in der Folge durch die Beklagte beauftragtes unfallchirurgisches Fachgutachten vom 19.10.2015 kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der Klägerin nicht auf dem Unfallereignis beruhen könnten, da weder unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Armes noch des linken Beines vorlägen und eine unfallbedingte Minderung der normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht objektivierbar sei. Die Beklagte lehnte daher eine Leistungserbringung mit Schreiben vom 26.10.2015 die Leistungserbringung ab.
Die Klägerin macht wegen ihrer kognitiven Beeinträchtigungen und ihrer Leistungsminderung mit der Klage einen Anspruch auf Invaliditätsleistungen bei einem Invaliditätsgrad von 50 % geltend. Die Beklagte bestreitet, dass der Sturz Folge eines Stolperns der Klägerin gewesen sei, er sei vielmehr durch eine Bewusstseinsstörung verursacht worden und somit vom Leistungsausschluss nach § 3 Ziff. 1 a AUB umfasst. Sie bestreite ferner einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Im Übrigen greife der Leistungsausschluss unter § 3 Ziff. 2 e AUB.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines rechtsmedizinischen und eines psychosomatischen/psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei nach § 3 Ziff. 2 e) AUB leistungsfrei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung führt sie aus, die bei ihr vorliegenden Beschwerden seien zumindest auch ursächlich auf das Sturzereignis zurückzuführen. Der Sachverständige habe hirnorganische Schädigungen aufgrund des Sturzes als Ursache der Beschwerden nicht ausgeschlossen, da bei ihr aufgrund ihres Alters und ihres Geschlechts Faktoren vorlägen, die als die Beschwerdesymptomatik mitunterhaltende Faktoren anzusehen seien. Da sie aufgrund einer organischen Schädigung Krankheitssymptome aufgewiesen habe, die sich aufgrund weiterer Faktoren dauerhaft verfestigt hätten, sei nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen von einem Versicherungsfall auszugehen.
Sie beantragt,
unter Abänderung des am 28.09.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Az: 8 O 1117/16,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 175.000,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27.10.2015 zu zahlen.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 EUR Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz nach ...