Leitsatz (amtlich)
Allein die schlüssige Darlegung eines hirnorganischen Primärschadens (hier: mildes posttraumatische brain injury (mTBi) reicht für den Anspruch auf Leistungen aus einer Unfallversicherung nicht aus. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr zusätzlich mit dem Beweismaß des § 287 ZPO beweisen, dass dieser Primärschaden zu einer die Invalidität begründenden psychischen Reaktion geführt hat. Erst im Anschluss hieran muss der Versicherer die Voraussetzungen der "Psychoklausel" beweisen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1353/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.02.2018 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsverträgen geltend.
Zwischen der 1953 geborenen Klägerin und der Beklagten bestanden zwei Unfallversicherungsverträge Nr. XXX xx/xxxx/xxx/xxx und XYX/xxx/xxxxxxx/xxx. Dem Vertrag liegen u. a. die Versicherungsbedingungen ABU PR 2000 zugrunde.
Am 01.12.2013 stürzte die Klägerin von einer Bordsteinkante mit dem Gesicht voran auf die Straße. Ausweislich eines in der Chirurgischen Notaufnahme der Universitätsklinik D. erstellten Berichts zog sie sich durch den Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, Prellungen des Gesichts, der linken Hand und des linken Knies sowie eine HWS-Distorsion zu. Im initial durchgeführten cCT und CT des Gesichtsschädels konnten knöcherne Schädelverletzungen bzw. intrakranielle Traumafolgen ausgeschlossen werden.
Eine auch von der Beklagten veranlasste gutachterliche Stellungnahme durch einen Neurologen vom 21.08.2014 ergab, dass bei der Klägerin bestehende neuropsychologische Funktionsbeeinträchtigungen nicht kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Unter dem 26.01.2015 übermittelte die Klägerin der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung über eine dauerhafte unfallbedingte Invalidität wegen einer Schädelprellung, einer prokontusionellen Enzephalopathie (F07.2), eines hirnorganischen Psychosyndroms (F06.9) und einem Schulterimpingementsyndrom. Ein in der Folge durch die Beklagte beauftragtes unfallchirurgisches Fachgutachten vom 19.10.2015 kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der Klägerin nicht auf dem Unfallereignis beruhen könnten, da weder unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Armes noch des linken Beines vorlägen und eine unfallbedingte Minderung der normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht objektivierbar sei. Die Beklagte lehnte daher eine Leistungserbringung mit Schreiben vom 11.12.2015 ab.
Die Klägerin macht wegen ihrer kognitiven Beeinträchtigungen und ihrer Leistungsminderung mit der Klage einen Anspruch auf Invaliditätsleistungen bei einem Invaliditätsgrad von 50 % geltend. Die Beklagte bestreitet, dass der Sturz Folge eines Stolperns der Klägerin gewesen sei; er sei vielmehr durch eine Bewusstseinsstörung verursacht worden. Sie macht ferner geltend, dass kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den körperlichen und geistigen Beeinträchtigung bestehen würde. Im Übrigen greife der Leistungsausschluss wegen der "Psychoklausel".
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines rechtsmedizinischen und eines psychosomatischen/psychotherapeutischen Sachverständigengutachten mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei aufgrund der "Psychoklauseln" leistungsfrei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Leistungsbegehren wiederholt. Zur Begründung führt sie aus, die bei ihr vorliegenden Beschwerden seien zumindest auch ursächlich auf das Sturzereignis zurückzuführen. Der Sachverständige habe hirnorganische Schädigungen aufgrund des Sturzes als Ursache der Beschwerden nicht ausgeschlossen, da bei ihr aufgrund ihres Alters und ihres Geschlechts Faktoren vorlägen, die als die Beschwerdesymptomatik mitunterhaltende Faktoren anzusehen seien. Da sie aufgrund einer organischen Schädigung Krankheitssymptome aufgewiesen habe, die sich aufgrund weiterer Faktoren dauerhaft verfestigt hätten, sei nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen von einem Versicherungsfall auszugehen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme einen Anspruch der Klägerin auf ...