Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt es vor einer kosmetischen Behandlung an einer umfassenden ärztlichen Aufklärung, mit der dem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen deutlich vor Augen geführt wird, kann der Patient dem Honoraranspruch des Arztes Schadensersatzansprüche entgegenhalten, die im Ergebnis zu einer Befreiung von der Vergütungspflicht führen.
2. Ist mit einem Aufklärungsbogen einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt in der Regel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (st. Rechtsprechung, zuletzt Senat, Beschlusse vom 10.11.2023 - 4 U 906/23).
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 564/23) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Verhandlungstermin vom 12.03.2024 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf bis zu 11.000,- EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin nach Beweisaufnahme den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung aus § 630 a BGB zuerkannt und die von der Beklagten widerklagend geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des bereits geleisteten Honorars sowie auf Schmerzensgeld zurückgewiesen.
Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag über einen operativen Eingriff in Form eines refraktiven Linsenaustauschs ist ein Dienstvertrag, bei dem ein Erfolg der ärztlichen Behandlung grundsätzlich nicht geschuldet ist. Der Vergütungsanspruch des Behandelnden kann daher wegen einer Schlechtleistung nicht gekürzt werden oder wegfallen. Allerdings hat der Patient nach einer Kündigung gemäß § 630b BGB die Ansprüche aus § 628 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB, wenn und soweit die Behandlung für ihn nutzlos geworden ist (vgl. zum Zahnersatz BGH, Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR 133/10 -, juris und Urteil vom 13. September 2018 - III ZR 294/16 -, BGHZ 219, 298-314). Auch wenn eine Kündigung des Behandlungsvertrages nicht erfolgt sein sollte, können dem Patienten ggfls. bei einer schuldhaften Fehlleistung des Arztes Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen, sofern die Leistung teilweise oder völlig unbrauchbar ist, die er auch dem Vergütungsanspruch entgegenhalten kann und die im Ergebnis eine Befreiung von der Vergütungspflicht bewirken oder den Behandelnden zur Rückerstattung der geleisteten Vergütung gem. §§ 628 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB verpflichten. Gleiches gilt für einen Anspruch wegen unnötiger oder überflüssiger Behandlung (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl., A Rn. 96 m.w.N.; BGH, a.a.O., Urteil vom 13. September 2018).
Im Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Landgericht sich allerdings nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Klägerin bei der streitgegenständlichen Augenoperation eine solche schuldhafte Fehlleistung infolge einer Verletzung von Aufklärungspflichten zu Last fällt, auf die sich die Beklagte zur Begründung der von ihr geltend gemachten Gegenansprüche allein stützt. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sie im Ergebnis der Operation im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Kosmetikerin dauerhaft auf das Tragen einer Brille zur Durchführung von kosmetischen Behandlungen angewiesen ist und darüber hinaus erhebliche Probleme beim Autofahren in der Dämmerung/Dunkelheit hat.
Die Augenoperationen vom 18. und 20.02.2020, bei denen die Linsen zur Behandlung der starken Kurzsichtigkeit der Klägerin ausgetauscht wurden, waren medizinisch nicht zwingend geboten. Sie unterliegen als kosmetische Operationen daher einer erweiterten Aufklärungspflicht. Eine umfassende Risikoaufklärung, die auf eine zusammenfassende Darstellung der Risiken "im Großen und Ganzen" beschränkt ist, reicht deshalb nicht aus; hier gehört es vielmehr zur besonderen Verantwortung des Arztes, seinem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen deutlich vor Augen zu stellen (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - 4 U 1052/19 -, Rn. 8, juris; Beschluss vom 4. April 2018 - 4 W 325/18 -, Rn. 7, juris; Urteil vom 03. September 2009 - 4 U 239/08 -, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 28. Februar 2012 - 5 U 8/08 -, Rn. 85, juris). An den dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten dü...