Leitsatz (amtlich)
Ein Anscheinsbeweis zu Lasten des in einen Kreisverkehr Einfahrenden kommt nur dann in Betracht, wenn es noch im Einmündungsbereich der Kreisfahrbahn zu einer Kollision kommt. Dagegen ist er ausgeschlossen, wenn sich der Unfall im Kreisverkehr ereignet, auch wenn feststeht, dass der Einfahrende erst nach dem Unfallgegner und unmittelbar vor dem Zusammenstoß mit erhöhter Geschwindigkeit auf die Kreisbahn eingebogen ist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2239/17) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 5.474,61 EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte im tenorierten Umfang unter Berücksichtigung einer hälftigen Schadensteilung zum Schadensersatz gem. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG verurteilt. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
Der Senat ist gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ein unabwendbares Ereignis für den Kläger oder die Beklagte zu 1. nach § 17 Abs. 3 StVG lässt sich nicht feststellen. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen daher nach § 17 Abs. 1 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.03.2017 - 13 U 158/18 - juris; Senat, Urt. v. 09.07.2019 - 4 U 333/19 - juris). Die Abwägung ist aufgrund von festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umständen des Einzelfalles vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben (so OLG Karlsruhe, a.a.O.). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung günstigen Rechtsfolgen herleiten will (so Senat, Urt. v. 09.07.2019).
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass dem Kläger der Beweis für einen Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1. ebenso wenig gelungen ist, wie den Beklagten der Nachweis eines Verkehrsverstoßes des Klägers und daher von einer hälftigen Schadensteilung auszugehen ist (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2016 - 12 U 312 - juris).
Zu Recht hat das Landgericht einen Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers verneint. Der Beweis des ersten Anscheins spricht nur dann für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer kollidiert, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist (vgl. Landgericht Saarbrücken, Urt. v. 28.03.2014 - 13 F 196/13 - juris).
Die Vorfahrtsberechtigung des Klägers steht aber nicht fest, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden kann, ob er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Das Landgericht konnte sich nach Anhörung der Parteien und Einvernahme der Zeugen nicht davon überzeugen, wer zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Der Kläger, seine Ehefrau und die Beklagte zu 1. haben dazu einander widersprechende Angaben gemacht, die jeweils für sich genommen jedoch glaubhaft waren. Die Aussage der Zeugin Jäger ist insoweit unergiebig. Sie gab an, dass sie nicht sagen könne, ob der Kläger vor der vor ihr fahrenden Beklagten zu 1. in den Kreisverkehr gefahren ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. T...... konnte ebenfalls nicht feststellen, wer als erster in den Kreisverkehr eingefahren ist. Sowohl die Einfahrt der Beklagten zu 1. eine Sekunde vor der Einfahrt des Klägers in den Kreisverkehr als auch die Einfahrt des Klägers eine Sekunde vor der Einfahrt der Beklagten zu 1. sei mit den Fahrzeugschäden und der Endstellung beider Fahrzeuge vereinbar. Welches der beiden Fahrzeuge zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, sei davon abhängig, zu wessen Gunsten die räumlichen und zeitlichen Parameter zugrunde gelegt wurden. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger in diesem Zusammenha...