Leitsatz (amtlich)
Ein Anscheinsbeweis zu Lasten des in einen Kreisverkehr Einfahrenden kommt nur dann in Betracht, wenn es noch im Einmündungsbereich der Kreisfahrbahn zu einer Kollision kommt. Dagegen ist er ausgeschlossen, wenn sich der Unfall im Kreisverkehr ereignet, auch wenn feststeht, dass der Einfahrende erst nach dem Unfallgegner und unmittelbar vor dem Zusammenstoß mit erhöhter Geschwindigkeit auf die Kreisbahn eingebogen ist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2239/17) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 5.474,61 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen.
Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senates im Hinweisbeschluss vom 04.11.2019 Bezug genommen. Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2019 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Aussage der Zeugin Jäger ist deshalb unergiebig, weil sie nicht sagen konnte, ob der Kläger oder die Beklagte zu 1) zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Darauf kommt es jedoch entscheidend an. Nur dann, wenn feststeht, dass der Kläger zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, hätte er Vorfahrt gehabt. Dies steht aber - wie bereits im Hinweisbeschluss vom 04.11.2019 ausgeführt - nicht fest.
Unzutreffend ist, dass einzig die klägerischen Ausführungen technisch plausibel mit dem Unfallgeschehen vereinbar sind. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen.
Ein Pflichtverstoß der Beklagte zu 1 ist nicht deshalb anzunehmen, weil sie ihren Angaben zufolge, das Fahrzeug des Klägers gesehen hat, als es sich der Einmündung des Kreisverkehrs näherte. Eine Wartepflicht hätte erst dann bestanden, wenn das klägerische Fahrzeug bereits in den Kreisverkehr eingefahren wäre. Das war aber nach der Sachverhaltschilderung der Beklagte zu 1 noch nicht der Fall. Sie durfte in den Kreisverkehr einfahren, wenn sich zu diesem Zeitpunkt das Fahrzeug des Klägers dem Kreisverkehr erst näherte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wie lange die Beklagte zu 1 vorher im Einmündungsbereich gewartet hat. Im Übrigen haben weder die Parteien noch die Zeugen geschildert, dass die Beklagte zu 1 vor dem Einfahren in den Kreisverkehr "geraume Zeit" gewartet habe.
Soweit der Senat die Entscheidung des Landgerichtes Saarbrücken vom 28.03.2014 (13 S 196/13) zitiert hat, ist erkennbar, dass der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung von denselben Grundsätzen für die Anwendung des Anscheinsbeweises ausgeht. Im Folgenden wurde ausführlich begründet, weshalb im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Anscheinsbeweis nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senates steht auch nicht im Widerspruch zu den Entscheidung des Amtsgerichtes Hamburg-Barmbek vom 25.05.2018 (812 C 4/18) und des Oberlandesgerichtes Köln vom 12.03.2015 (19 U 153/14), denn vorliegend hat sich der Unfall nicht im Einmündungsbereich ereignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Gegenstandswert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.
Fundstellen
NJ 2020, 125 |
VRA 2020, 38 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2020, 14 |