Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Erwerbsobliegenheit eines Selbstständigen mit geringen Einkünften.
2. Könnte der nicht betreuende, an sich allein barunterhaltspflichtige Elternteil auch bei Zahlung des vollen Unterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt noch wahren, kommt gleichwohl die volle Haftung des betreuenden Elternteils in Betracht, wenn dieser etwa das Dreifache des nicht betreuenden Elternteils verdient (Anschluss BGH, Urteil vom 10.07.2013, XII ZB 297/12).
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 29.06.2015; Aktenzeichen 341 F 924/15) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Leipzig vom 29.06.2015, 341 F 924/15, abgeändert:
Die Anträge werden abgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.090,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt. Es wird zunächst auf den Tatbestand des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.
Ergänzend sei ausgeführt: Die Antragsgegnerin ist Rechtsanwältin, der Vater der Antragsteller ist Arzt. Die Antragsgegnerin war von Oktober 1998 bis Juni 1999 selbstständige Rechtsanwältin in xxx und anschließend von Juli 1999 bis Dezember 1999 als angestellte Anwältin in xyx tätig. Nach dem Umzug des Vaters und der Antragsgegnerin nach yxy, wo der Vater eine Anstellung in einem Krankenhaus antrat, war die Antragstellerin dort als angestellte Rechtsanwältin tätig. Nach erneutem Umzug der Familie nach yyy - der Vater nahm dort eine Anstellung als Assistenzarzt an - war die Antragstellerin dort von Dezember 2001 bis Mai 2002 als angestellte Rechtsanwältin tätig. Ab Juni 2002 war die Antragsgegnerin nicht berufstätig. Ab Dezember 2003 bis März 2005 arbeitete sie wiederum als angestellte Anwältin in einer anderen Kanzlei in yyy. Diese Tätigkeit stellte sie während der Schwangerschaft mit Jo. ein. Sie war dann insgesamt von April 2005 bis November 2009 ohne Erwerbstätigkeit. In dieser Zeit zog die Familie zunächst im Januar 2006 nach xyx und im Sommer 2008 nach Pennsylvania, jeweils aufgrund neuer Stellen des Vaters der Antragsteller. Im April 2009 trennten sich der Vater und die Antragsgegnerin; die Antragsgegnerin zog nach xyx, der Vater schließlich nach yy. Dort arbeitet er seither am Universitätsspital.
Die Antragsgegnerin nahm in xyx im Dezember 2009 eine Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin, zunächst in Vollzeit, später in Teilzeit mit einem 30-Stundenvertrag auf. Das Arbeitsverhältnis wurde von Seiten des Arbeitgebers mit Schreiben vom 30.09.2013 zum 01.11.2013 gekündigt. Zum 01.12.2013 machte sie sich in xyx mit einer eigenen Kanzlei selbstständig. Zu diesem Zeitpunkt lebten beide Antragsteller bei der Antragsgegnerin. Im Sorgeverfahren vereinbarten der Vater und die Antragsgegnerin vor dem Oberlandesgericht am 16.01.2014 den Wechsel der Antragsteller in den Haushalt des Vaters. In der Elternvereinbarung einigten sich die Eltern auch darauf, dass der Vater der Antragsteller die Antragsgegnerin von der Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt für beide Antragsteller für das Jahr 2014 freistellt.
Die Antragsgegnerin verdiente in ihrer Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin zuletzt netto 1.777,51 EUR. Sie erhielt 2.006,36 EUR überwiesen. Hiervon musste sie 228,85 EUR an das Rechtsanwaltsversorgungswerk abführen.
2014 erzielte die Antragsgegnerin einen Überschuss ausweislich der Einnahmenüberschussrechnung von 15.868,82 EUR. Sie wandte für Krankenversicherung, Pflegeversicherung und sonstige Versicherungen 4.551,00 EUR auf. Steuern zahlte sie keine. Im Einkommenssteuerbescheid für 2014 vom 31.08.2015 wurde eine Nachzahlung von 243,00 EUR festgesetzt, außerdem wurden Vorauszahlungen für 2015 von 517,00 EUR angeordnet.
Im Jahr 2015 erwirtschaftete die Antragsgegnerin ausweislich der vorläufigen Einnahmenüberschussrechnung bis einschließlich September 2015 einen Gewinn von 14.628,23 EUR. Für die Krankenversicherung wandte sie im Monat 242,63 EUR auf. An das Versorgungswerk zahlte sie 74,30 EUR pro Monat. Sie erhielt bis einschließlich September 2015 monatlichen Trennungsunterhalt von 400,00 EUR vom Vater der Antragsgegner. Seit Oktober 2015 wird Trennungsunterhalt nicht mehr gezahlt.
Im November 2013 nahm die Antragsgegnerin einen Kredit bei der X GmbH mit einem Auszahlungsbetrag von 21.216,00 EUR auf. Sie zahlt hierfür monatliche Raten von 683,83 EUR; die erste von insgesamt 36 Raten war am 15.11.2013 fällig. Die Antragsgegnerin behauptet, den Kredit im Wesentlichen für Rechtsanwaltsgebühren aufgewandt zu haben, die durch die familienrechtlichen Streitigkeiten mit dem Vater der Antragsteller entstanden seien.
Der Vater der Antragsteller hat am 25.10.2014 erneut geheiratet. Aus dieser Ehe ist im Januar 2015 der weitere Sohn Ja. hervorgegangen.
Im Jahr 2014 erzielte der Vater aus seiner Tätigkeit als Arzt ein Bruttoeinkommen von gut 250.000,00 CHF. Wegen der Einzelheiten, auch zu den gezahlten Steuern, w...