Leitsatz (amtlich)
Erklärt der intelligenzgeminderte Angeklagte (hier bei einem IQ von 66), er beschränke seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe des Tagessatzes und ist seine geistige Einschränkung dabei nicht durch die Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe ausgeglichen worden, erweist sich die Beschränkung des Einspruchs als unwirksam.
Der nach § 1902 BGB bestellte Betreuer, dessen Bestellung sich nicht speziell auf das Strafverfahren bezieht, ist nicht verfahrensbeteiligt und hat deshalb nicht die Stellung eines verfahrensrechtlichen Beistandes.
Verfahrensgang
AG Marienberg (Entscheidung vom 17.07.2014; Aktenzeichen 8 Cs 610 Js 1791/14) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Marienberg vom 17. Juli 2014 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
1.
Das Amtsgericht hatte gegen die aufgrund einer Intelligenzminderung unter Betreuung stehende Angeklagte mit Strafbefehl vom 17. Juni 2014 wegen Betruges eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je 15 EUR festgesetzt. Darin wurde der Angeklagten vorgeworfen, unter Vortäuschung ihrer Zahlungswilligkeit ein Paar Schuhe zum Preis von 60,87 EUR bestellt und nach Erhalt nicht bezahlt zu haben.
2.
Der Strafbefehl wurde der Angeklagten am 24. Juni 2014 zugestellt. Am 26. Juni 2014 ging bei dem Amtsgericht ein Schreiben der Betreuerin der Angeklagten ein, mit der die Betreuerin Einspruch gegen den Strafbefehl einlegte und den Einspruch unter Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Höhe des Tagessatzes beschränkte. Gleichzeitig übermittelte die Betreuerin ein nicht datiertes Schreiben der Angeklagten, in dem diese ebenfalls insoweit Einspruch gegen den Strafbefehl erhob, "als der Tagessatz sowie die Gesamtgeldstrafe zu hoch festgesetzt wurde".
3.
Die Betreuerin war am 3. Juni 2013 durch das Amtsgericht Marienberg bestellt worden. Ihr Aufgabenkreis umfasst die Vermögenssorge einschließlich Schuldenregulierung, die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aller Art sowie Wohnungsangelegenheiten. Einen Einwilligungsvorbehalt enthält die Bestellung nicht.
4.
In dem aufgrund des Einspruchs gegen den Strafbefehl bestimmten Termin zur Hauptverhandlung am 17. Juli 2014 lehnte das Gericht die Bestellung des zwischenzeitlich von der Angeklagten gewählten Verteidigers als Pflichtverteidiger ab. Der Antrag war damit begründet worden, dass die betreute Angeklagte nicht in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen sowie den Inhalt des Strafbefehls zu verstehen und einen Einspruch zu formulieren. Das Gericht verurteilte die Angeklagte, ausgehend von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe, zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 EUR.
5.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts, insbesondere ein Verstoß gegen den Grundsatz des "fair trial" gerügt wird. Das Gericht habe die beantrage Pflichtverteidigerbestellung nicht ablehnen und insbesondere nicht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung ausgehen dürfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen. Der Betreuer habe die Stellung eines gesetzlichen Vertreters und den Einspruch deshalb wirksam beschränken können.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg; es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
Die Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe ist unwirksam. Das Amtsgericht hätte deshalb auch über den im Strafbefehl enthaltenen Schuldspruch und die darauf zu stützende jeweilige Rechtsfolge befinden müssen. Dieses Unterlassen führt zur Urteilsaufhebung.
1.
Grundsätzlich kann der Einspruch gegen einen Strafbefehl gemäß § 410 Abs. 2 StPO auf die Tagessatzhöhe beschränkt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl. § 410 Rdnr. 4 m.w.N.).
Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht im Rahmen der Prüfung von Prozesshindernissen jedoch festzustellen, ob ein mit der Revision angefochtenes Urteil aufgrund eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen Strafbefehls befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn das Amtsgericht wegen der vom Einspruchsführer erklärten Beschränkung sich nur mit einzelnen Teilen des Strafbefehls befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit der Einspruch rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist und eine Teilrechtskraft des Strafbefehls tatsächlich eingetreten ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rdnr. 145; OLG Celle NStZ 2008, 711; für den Fall der Beschränkung einer Berufung vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2015, 10).
2.
Bei der Erklärung, den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Tagessatzhöhe zu beschränken, handelt es sich um eine Prozesshandlung, unter der jede prozessgest...