Leitsatz (amtlich)
1. Für eine negative Feststellungsklage, dass dem Betreiber eines sozialen Netzwerks kein Recht zustand, einen Beitrag zu löschen, besteht kein Feststellungsinteresse.
2. In besonderen Ausnahmefällen kann die Sperrung und/oder Deaktivierung eines Nutzerkontos auch ohne vorherige Anhörung des Nutzers erfolgen; ein Anspruch gegen den Betreiber es zu unterlassen, diese Maßnahme ohne vorherige Information des Nutzers zu vollziehen, kommt daher nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 2 O 1506/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Verhandlungstermin vom 6.2.2024 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger eine weitergehende Verurteilung der Beklagten aus Ziffer 1 seiner Anträge bezüglich einer Datenlöschung "aller" Datensätze zu Sperr- und Löschvermerken beantragt, weil diese Klageerhebung nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist (vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 26.5.2023 - 10 U 24/22, GRUR-RS 2023, 14075, Rn. 98).
Die Antragstellung ist nur bezüglich des angeblichen Verstoßes vom 17.07.2021 durch die Schriftsätze hinreichend bestimmt, im Übrigen wird nicht deutlich, auf welche weiteren Verstöße sich der Kläger mit seinem Antrag beziehen will.
2. Die negative Feststellungsklage (Ziffer 2 der Anträge), dass der Beklagten kein Recht zustand, den Beitrag vom 17.07.2021 zu löschen und gegen den Kläger am 17.07.2021 eine Sperre zu verhängen, ist bereits unzulässig, denn es fehlt am Feststellungsinteresse (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 27 - juris; vgl. OLG Karlsruhe Urteil vom 26.05.2023 - 10 U 24/22, GRUR-RS 2023, 14075, Rn. 95).
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Dagegen ist eine Klage auf Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses, wie hier der Rechtswidrigkeit eines bestimmten in der Vergangenheit erfolgten Verhaltens der Beklagten, unzulässig (vgl. Senat, Urteil vom 08.03.2022 - 4 U 1050/21, Rdnr. 27 m.w.N.- juris). Soweit sich aus der möglichen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Sperrung Rechtsfolgen in der Gegenwart ergeben, wie beispielsweise der gleichfalls geltend gemachte Unterlassungsanspruch bzw. der Anspruch auf Wiederherstellung des gelöschten Beitrages, ist der Kläger auf die vorrangige Leistungsklage zu verweisen, ohne dass es einer isolierten Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme bedarf (Senat, Urteil vom 12. Januar 2021 - 4 U 1600/20 -, Rn. 30, juris; Beschluss vom 11.12.2019 - 4 U 1618/19).
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch, dass es diese unterlässt, sein Konto (teilweise) zu deaktivieren, ohne ihn vorab über die beabsichtigte Sperre zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Der Klageantrag ist zu unbestimmt und daher unzulässig, weil er derart undeutlich gefasst ist, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 30.06.2022 - 16 U 229/20, GRUR-RS 2022, 15047 Rn. 45).
Unabhängig davon, dass die Beklagte verpflichtet ist, vor einer fristlosen Kündigung oder teilweisen Sperre ("read-only-modus") dem Kläger eine Abhilfemöglichkeit einzuräumen oder ihn abzumahnen, ist es nicht stets rechtswidrig, ein Nutzerkonto ohne vorherige Anhörung (teilweise) zu deaktivieren. Dies kann z.B. bei besonders schweren Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards und/oder bei strafbaren Handlungen der Fall sein. Nimmt ein Nutzer z.B. kinderpornographische Bilder oder andere strafbare Handlungen in seine Timeline auf, so ist eine sofortige Sperrung oder Deaktivierung seines Nutzerkontos ohne Anhörung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2022 - III ZR 12/22, R. 53; BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, Rdnr. 77 - juris). Aus diesem Grund kann eine sofortige (teilweise) Sperrung oder Löschung eines Kontos erforderlich und auch wirksam sei...