Leitsatz (amtlich)
1. Ein tarifinterner "Altersgruppensprung" vom Kinder- in einen Jugendlichentarif ist keine Beitragsanpassung, die einer gesetzlichen Begründungspflicht unterliegt.
2. Gleiches gilt für eine zeitliche befristete Bonusänderung, nach deren Auslaufen sich der Beitrag erhöht.
3. Die zugrundeliegende Vertragsregelung in den AVB ist wirksam.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2584/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.03.2024 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für beide Instanzen auf 19.937,39 Euro festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen in der von ihm bei der Beklagten gehaltenen Krankenversicherung in den Jahren 2012, 2015, 2016, 2017, 2019, 2020, 2021 und 2022. Er meint die Beitragsanpassungen seien formell unwirksam.
Die Beklagte hält die Anpassungsschreiben für wirksam und meint, für die minderjährigen Versicherten sei es in den Jahren 2019 und 2021 nicht zu einer Beitragsanpassung, sondern zu einem Wechsel in der Versichertengruppe wegen Erreichens einer Altersgrenze gekommen. Die Reduzierung eines Bonus sei keine Betragserhöhung.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2023 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht die formelle Wirksamkeit bejaht habe. Der Schwellenwertmechanismus werde nicht erläutert. Die Versicherungsbedingungen, die einen automatischen Sprung bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze vorsehen, seien unwirksam. Eine freiwillige Gutschrift könne eine dauerhafte Erhöhung nicht heilen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien gemäß § 812 BGB zu. Die Prämienanpassungen sind wirksam. Ein "Altersgruppensprung" stellt nach § 8 AVB keine gesondert zu begründende Beitragsanpassung dar, die Regelung ist wirksam. Die Reduzierung eines gewährten Bonus stellt ebenfalls keine Beitragsanpassung nach § 203 VVG dar.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet. Fehlt die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen oder die Angabe dieses Schwellenwerts selbst daneben nicht mehr entscheidend (BGH, Urteil vom 21.7.2021 - IV ZR 191/20). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird (vgl. hierzu Urteil Senat vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21).
Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht....