Leitsatz (amtlich)
1. Die für das äußere Bild eines versicherten Diebstahls erforderlichen Mindesttatsachen können nur dann durch informatorische Anhörung des Versicherungsnehmers bewiesen werden, wenn Zeugen hierfür nicht zur Verfügung stehen.
2. Die Berufung auf eine Obliegenheitsverletzung seitens des Versicherers erfordert in der Regel die Vorlage der Versicherungsbedingungen, die eine solche Obliegenheit enthalten.
3. Werden Fahrzeugschlüssel nicht so aufbewahrt, dass sie vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt sind, kann hierin ein grob fahrlässiges Verhalten liegen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 58/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.07.2021 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 45.434,50 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Wiederbeschaffungswert ihrer Fahrzeuge aus ihrer Teilkaskoversicherung.
Die Klägerin betreibt eine Spedition und hat für den Lkw ... (Zugmaschine) mit dem amtlichen Kennzeichen ... sowie den Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen ... jeweils eine Teilkaskoversicherung unter Vereinbarung eines Selbstbehaltes von 150,00 EUR abgeschlossen. Sie meldete am 29.01.2018 den Diebstahl der Zugmaschine und des Anhängers am 26.01.2018 um 23:10 Uhr. Die Beklagte hat am 14.12.2018 5.640,50 EUR und am 18.12.2018 28.175,00 EUR bezahlt.
Die Klägerin hat behauptet, ihre Fahrer hätten den Lkw nebst Anhänger gegen 18:00 Uhr des 26.01.2018 auf dem Betriebshof der Klägerin abgestellt. Die Fahrer hätten die Anweisung, den Fahrzeugschlüssel in Briefkästen - die den jeweiligen Fahrzeugen zugeordnet seien - im Eingangsbereich der Fahreranmeldung nach der Fahrt einzuwerfen. Für den Fall eines Fahrerwechsels sollten die Fahrzeugschlüssel auf den Haken, der auf dem Briefkasten angebracht sei, eingehängt werden. Die Briefkästen seien nur über eine Glastür zu erreichen, die durch einen Code geöffnet werden könne. Der Zeuge S... habe auf Anweisung des Geschäftsführers F... K... das Gespann mit zwei Containern in der Zeit von 20:50 Uhr bis 21:10 Uhr neu beladen und wieder abgestellt. Er habe sich hierbei den Schlüssel in der firmeneigenen Werkstatt - die auch freitags bis 22:00 Uhr besetzt sei - geholt und ihn auch dort wieder abgegeben. Am 27.01.2018 habe sich Herr J... K... gegen 7:00 Uhr auf das Betriebsgelände begeben und den Lastzug nicht mehr auf dem Betriebshof aufgefunden. Anhand der Telematikaufzeichnung sei festgestellt worden, dass der Lastzug um 23:17 Uhr vom Betriebshof entfernt worden sei. Zuletzt sei ein GPS-Signal gegen 6:06 Uhr des 27.01.2018 gesendet worden, zu diesem Zeitpunkt habe sich der Lastzug bereits 486 km weit bewegt. Der Wiederbeschaffungswert der Zugmaschine, des Anhängers sowie der zwei Wechselkoffer betrage 84.150,00 EUR.
Die Beklagte bestreitet die behauptete Entwendung. Es sei nicht einleuchtend, dass der Zeuge S... das Fahrzeug beladen haben will, zumal in der Schadensanzeige angegeben worden sei, dass der Geschäftsführer der Klägerin das Fahrzeug in eine Fremdwerkstatt habe fahren wollen. Die Klägerin habe es unterlassen, ausreichende Sicherheitsvorkehrungen vorzusehen und einzusetzen. Die Glastür sei für jedermann einsehbar. Zudem hätten alle Mitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter die Kombination des Zahlencodes der Glastür gekannt. Des Weiteren sei das Rolltor des Betriebsgeländes noch um 23:10 Uhr noch offen gestanden. Die Höhe des Wiederbeschaffungswertes werde bestritten.
Das Landgericht hat den Geschäftsführer F... K... sowie den Zeugen S... angehört und ein Sachverständigengutachten zum Wiederbeschaffungswert eingeholt. Es hat mit Urteil vom 08.02.2021 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - der Klage in Höhe von 45.434,50 EUR stattgegeben und im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt zur Begründung vor, die Angaben der Geschäftsführer der Klägerin seien nicht konsistent. In der Schadensanzeige sei davon die Rede gewesen, dass das Gespann durch den Geschäftsführer der Klägerin in die Werkstatt nach Bodenbach habe verbracht werden sollen. Im Verfahren werde behauptet, dass es für die nächste Fracht beladen worden sei. Weshalb überhaupt ein Aufenthalt in einer Fremdwerkstatt erforderlich gewesen sein soll, wenn die Klägerin über eine eigene Werkstatt verfüge, sei nicht nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar sei auch die Behauptung, dass die jeweiligen Fahrzeugschlüssel zwar grundsätzlich in den Briefkasten geworfen werden sollten, bei einem Tausch der Fahrzeuge hiervon jedoch abgewichen werden soll. Hier habe man sich zwischen 16:00 und 18:00 Uhr des Tages der Entwendung zu einem Fahrzeugtausch entschlossen. Es sei aber nicht klar, we...