Leitsatz (amtlich)
1. Die Widerspruchsbelehrung eines im Jahr 1990 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages, die sich unmittelbar oberhalb der Unterschriftszeile befindet und von dem restlichen Text durch einen Querstrich abgetrennt ist, kann den Angesprochenen auch dann hinreichend aufmerksam machen, wenn sie nicht in Fettdruck gehalten ist.
2. Die Verwirkung eines Lebensversicherungsvertrages kann auch bei unwirksamer Belehrung dann anzunehmen sein, wenn der Vertrag über 23 Jahre Bestand hatte, mehrfach der Ablaufzeitraum vom Versicherungsnehmer vorverlegt und anlässlich einer dem Widerspruch vorausgegangenen Kündigung einer Zusatzversicherung ausdrücklich der Vertrag im Übrigen bestätigt wurde.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1513/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2019 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 47.520,66 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 30.04.1993 den Abschluss einer Rentenversicherung unter Einschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte nahm den Antrag an und policierte ihn am 01.06.1993 (Anlagen K1, K3). Das Antragsformular enthält oberhalb der Unterschriftenzeile folgende Belehrung:
"Ich kann meinen Antrag innerhalb von 10 Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen, und zwar auch dann, wenn die Gesellschaft ihn bereits angenommen hat. Mein Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb der genannten Frist bei der Gesellschaft eingegangen ist."
Der Kläger zahlte in den folgenden Jahren die Prämien. Mit Schreiben vom 08.03.2000 fragte er an, ob eine Vorverlegung auf das Jahr 2017 möglich wäre (Anlage B8). Die Beklagte sandte ihm am 28.03.2000 (Anlage B9) ein Änderungsangebot zu, das er annahm (Anlage B10). Am 03.05.2004 kündigte der Kläger die Berufsunfähigkeitsrente und erklärte, dass der Hauptvertrag in der jetzigen Form bestehen bleiben solle (Anlage B26). Im Jahr 2013 verpfändete der Kläger seine Ansprüche aus der Versicherung gegen die Beklagte an die YYY Bausparkasse AG, die dies der Beklagten am 30.09.2013 (Anlage B51) mitteilte. Die Ansprüche wurden von der YYY Bausparkasse AG am 09.07.2014 freigegeben. Am 22.05.2016 erklärte der Kläger, dass er keine Dynamisierung der Versicherung bis zum Ablaufende wünsche (Anlage B58). Mit Schreiben vom 14.07.2016 widersprach der Kläger dem Vertragsschluss und begehrte die Rückabwicklung (Anlage B61). Die Beklagte lehnte ab und zahlte am 01.03.2018 die Ablaufleistung in Höhe von 139.884,23 EUR aus.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.04.2019 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen. Es hat angenommen, dass die Belehrung den gesetzlichen Anforderungen genügt habe und der Widerspruch 23 Jahre nach Vertragsschluss verfristet sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, dass Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Belehrung den gesetzlichen Anforderungen genüge. Sie werde der Warnfunktion nicht gerecht. Weder die grafische Hervorhebung des Belehrungstextes noch deren Positionierung und Auffindbarkeit im Antragsformular seien insofern ausreichend.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückabwicklung des Rentenvertrages vom 01.06.1993 zu.
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Belehrung den Anforderungen des § 8 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 VVG in der Fassung vom 17.12.1990 genügt. Der Bundesgerichtshof hat zu § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss (BGH, Urt. v. 16.10.2013 - IV ZR 52/12). Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die vorliegen...